Das wird der Monat der wird (11): Schwebender Stechschritt und das Scheren der Schafe
VORSCHAUHeute wieder mit dem großen Sepp, einem Länderspiel gegen Schorchien, der Schlacht am Scharmützelsee und viel Zartheit am Schwebebalken
Kalterherberg, 2. November. Nach erneuten Bodenfrösten in den Talmulden der Eifel stehen die Menschen entsetzt vor den ersten Ausläufern der Wintersportsaison – mit never ending Biathlongeballere, Eiskanalraserei und dem Skiirrsinn. Psychologen warnen Sportfans vor fahrlässigem Kontakt: „Unsere Praxen sind voll mit kontaminierten Opfern.“ Aus Großbritannien, seit jeher „leading sport’s country of all nations“, kommt der Rat: „Seit William The Conqueror leben wir sehr gut ohne diesen winter shit.“
Glasgow, 3. November. Nach Abschluss der Kunstturn-Weltmeisterschaft steht Nordkorea auf Platz 1 der Nationenwertung. Wenig überraschend: Schon im Vorjahr waren die Unsportler Dritte. Gleich zweimal Gold geht an den „volkseigenen Landwirtssohn Kim Kun-Oh“ (Teaminfo) – erst mit seiner neuartigen Stechschrittkür am Boden sowie mit „aller erlesenen Zartheit seiner bäuerlichen Bewegungsvielfalt“ am erstmalig ausgetragenen Schwebebalken für Herren.
Paris, 13. November. Beim Testspiel von „La Mannschaft“ gegen La France ist Galatasarays Kölntürke Lukas Podolski endlich wieder dabei. „In Paris spiele ich immer gern, egal gegen wen, Hauptsache Frankreich“, lässt er länderkundig wissen. „Leider habe ich ja vor einem Monat beim 2:1 gegen Schorschien verletzt gefehlt“, ergänzt er und klärt die Kopfschüttler („Hä? Gegen wen?“) verwundert auf: „Im Rheinland sagt man zu Georg halt Schorsch.“
Waipukurau, 14. November. Die World Sheep Shearing Records Society Inc. meldet einen neuen Weltrekord im Schafscheren. Der neuseeländische Branchenstar Stacey Te Huia, 36, verbessert in der Königsdisziplin mit schwerwolligen Merinoschafen die Bestleistung in 9 Stunden von 721 auf 727 Tiere. „Ich fliege vor Glück“, sagt er beim erschöpften Einsinken in seine fast 3 Tonnen Wollbeute. Das Preisgeld (1.700 Kiwidollar) will Te Huia an der Rohstoffbörse auf fallende Wollpreise setzen. „Bei so viel, wie ich wegrasiere, ist der Markt bald übersättigt.“
Zürich, 19. November. Ab dem heutigen Weltmännertag zählt die Fußballwelt die Tage herunter bis zum Fifa-Wahlkongress Ende Februar. 99 Tage wäre Sepp Blatter, 79, heute noch im Amt. Doch der Pillepate mahnt aus dem Verbannungsexil: „Bis zum 26. 2. sind alle Funktionäre ausnahmslos entweder auf Lebenszeit suspendiert, an die USA ausgeliefert, in U-Haft, im Lügengestrüpp des DFB gefangen oder direkt durch uns physisch entsorgt. Welcher aufrechte Mann die Fußballfamilie dann noch führen soll? Ich – Euer ewiger Sepp.“
Mönchengladbach, 25. November. 37 Jahre hatte Borussia nicht mehr königsklassig gespielt. Jetzt ist das Abenteuer Champions League mit dem 0:1 gegen den FC Sevilla schon wieder vorbei. „Aber ich bleibe Optimist“, sagt Sportchef Max Eberl gut gelaunt, „2052 greifen wir wieder an.“ Granit Xhaka verlängert umgehend bis dahin seinen Vertrag.
Gent, 29. November. Fritten, Comics, Pralinen? „Die große Sportnation Belgien hat im Tennisrausch allen Nebengenüssen abgeschworen“, schreibt die Tageszeitung De Standard nach dem klaren Triumph im Davis-Cup-Finale gegen Großbritannien. Damit hat nach Vorjahressieger Schweiz wieder ein Kleinstaat gewonnen. Jetzt planen Liechtenstein, San Marino, angeblich auch der Kanton Uri und die Freie Republik Wendland eigene Tennisleistungszentren.
Bad Saarow, 30. November. Das golferische Drittweltland Deutschland bekommt die Zusage für den prestigewichtigen Ryder Cup. Den Ausschlag gegeben hat nicht die Steuerbefreiung aus dem Entwicklungshilfeministerium, sondern das mondäne Flair des Austragungsorts am Scharmützelsee. „Old Bath Saarow“, schreibt die Times ergriffen, „steht für den Mythos des großen Gestern, für die Golden Twenties, Swing, Kokainpartys, Moorbäder, semibritische Dekadenz und annähernd königliches Großbürgertum.“ In Saarow residierten einst Tucholsky, Lubitsch, von Cramm und Max Schmeling, der im Ring zu- und auf dem Golfplatz abschlug. Nun werde der Scharmützelsee, sekundiert die SZ, zur „wunderbaren Ortsbezeichnung für die wichtigste Golfschlacht der Welt“. BERND MÜLLENDER
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