Das war die Woche in Berlin I: Zu Fuß gehen wird Stress
Die Berliner Verkehrspolitik vergisst die FußgängerInnen. Dabei war Berlin immer die Stadt der breiten Bürgersteige und der Flaneure.
Mehr Radwege, mehr Tempo-30-Zonen: d’accord. Was die neue Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos für die Grünen) diese Woche und auch davor bereits ankündigte, lässt einen Richtungswechsel in der Verkehrspolitik erahnen. Der ist in vieler Hinsicht überfällig und erfreulich.
Aber nicht in jeder. Denn schaut man genauer hin, fällt auf, dass eine Gruppe Verkehrsteilnehmender in den Plänen nur selten auftaucht: FußgängerInnen. Dabei hat Berlin eine lange Tradition auch als Stadt der FlaneurInnen.
Doch für die wird es zunehmend gefährlicher auf den Straßen und Bürgersteigen der Hauptstadt. Denn neben der Gefährdung durch Autos wächst die durch Fahrradfahrer. Nicht nur durch jene, die über Bürgersteige heizen: Vielerorts kann man bei Ampelgrün für Fußgänger die Straße kaum noch betreten, ohne sich vorher abzusichern, nicht von rasenden Radlern niedergebrettert zu werden, die rote (Auto- und Radfahrer-)Ampeln ignorieren.
Nach wie vor sind FußgängerInnen die größte Gruppe der Todesopfer bei Verkehrsunfällen. Und radlerfreundliche Vorzeigeprojekte des (alten) Senats wie etwa der Moritzplatz in Kreuzberg zeigen, wie der Hase für Fußgänger verkehrspolitisch läuft: nämlich um drei Ecken.
Es macht immer weniger Spaß, zu flanieren
Dort wurden zwar deutliche und breite Wege für Radfahrer geschaffen, um sie besser vor Autofahrern zu schützen. FußgängerInnen wurden dabei jedoch vergessen. Wer nicht imstande ist, den Platz (übrigens über BVG-Privatgelände, das nachts mit Toren verschlossen wird) unterirdisch zu queren – weil er etwa mit Kinderwagen, Rollstuhl oder Rollator unterwegs ist –, muss weit laufen, um einen gesicherten Fußgängerüberweg oder gar eine Ampel zu finden. Am Moritzplatz selbst wurden die vergessen.
An anderen Großkreuzungen wie Hermannplatz oder Kotti gibt es zwar Ampeln. Die aber sind so sehr auf den schnelleren Rad- und Autoverkehr getaktet, dass man als Fußgänger entweder im Galopp um den Platz oder auf jeder Mittelinsel erneut warten muss.
Es macht so immer weniger Spaß, über die berühmten breiten Berliner Bürgersteige zu flanieren. Zu Fuß gehen (müssen) ist zum Stress geworden. Vielleicht sollte die Verkehrssenatorin sich mal mit ihrer integrationspolitischen Kollegin beraten: Die hat Erfahrung damit, wie man verschiedene Gruppen unter einen Hut bringt, statt sie gegeneinander auszuspielen.
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