Das neue Arzneimittelgesetz: Blutverdünner besteht Stresstest
Erstmals konnte ein Pharmaunternehmen für ein neues Medikament den Zusatznutzen gegenüber herkömmlichen Therapien nachweisen. Jetzt wird der Preis verhandelt.
BERLIN taz | Mit Zähnen und Klauen hatte sich die Pharmaindustrie gewehrt gegen das neue Arzneimittelgesetz. Das schreibt seit Januar eine regelhafte Überprüfung des Zusatznutzens neuer Medikamente vor im Vergleich zu herkömmlichen Therapien und zwingt die Hersteller erstmals zur Offenlegung ihrer Daten sowie zu Preisverhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen.
Am Dienstag gab es den ersten Realitätscheck: Das erste Arzneimittel, das dem Stresstest unterzogen wurde, hat die "frühe Nutzenbewertung" bestanden. Das teilte Deutschlands oberste Arzneiprüfbehörde, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), in Köln mit. "Die Befürchtungen der Industrie sind unbegründet", sagte der IQWiG-Chef Jürgen Windeler. "Der Standort Deutschland ist nicht in Gefahr." Der Verband forschender Arzneimittelhersteller wollte weder zu dem "Einzelfall" Stellung nehmen noch von "Erfolg" sprechen.
Getestet worden war das Blutverdünnungsmittel "Brilique" der Pharmafirma AstraZeneca. Es soll bei akuten Durchblutungsstörungen des Herzmuskels Blutgerinnseln vorbeugen. Der Wirkstoff Ticagrelor, auf dem das Medikament basiert, biete für Patienten mit einem "leichteren" Herzinfarkt einen "beträchtlichen Zusatznutzen", weil es das Risiko zu sterben stärker senke als herkömmliche Mittel. Für "schwerere" Herzinfarkte fehlten entsprechende Belege jedoch noch, so das IQWiG.
Die erste frühe Nutzenbewertung in Deutschland war mit Spannung erwartet worden, weil sie insbesondere von der Industrie als richtungsweisend eingestuft wurde: Nur solche Medikamente, die einen Zusatznutzen nachweisen können, dürfen ab sofort auch noch zusätzlich kosten. Bislang hatte die Industrie die Preise nach Gutdünken festsetzen können. Für Arzneimittel mit Zusatznutzen, also auch für "Brilique", gilt jetzt: Auszuhandeln ist ihr Preis auf Grundlage der IQWiG-Bewertung zwischen den Herstellern und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. Im Dezember beginnen die Verhandlungen.
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