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■ Das nächste Sparpaket aus dem Hause Waigel ist sicherAnflüge von Raison

Wir kennen Sieger nicht, und nicht Besiegte. Der Vermittlungsausschuß, die Zwangsinstitution für das Kräftemessen zwischen Bund und Ländern, Regierung und Opposition, hat mit seinen Kompromissen zu den Sparpaketen des Hauses Waigel den Aktivitätsschub der Bonner Politik fortgesetzt. An zwei Punkten konnte die SPD der Regierungskoalition wirklich etwas abhandeln. Daß die Befristung der Arbeitslosenhilfe aufgehoben wurde, entlastet Städte und Gemeinden finanziell und die Betroffenen moralisch. Der zweite kleine Erfolg, der Verzicht auf die Nullrunde für Sozialhilfeempfänger, wiegt weniger wegen seines materiellen Gehalts als wegen der sozialen Botschaft. Denn ausgerechnet die sozial Schwächsten zum Vorreiter des Verzichts zu machen, das war schon von besonderer Boshaftigkeit. Doch die soziale Schieflage des Sparpakets bleibt, wie auch die SPD weiß, bedenklich, und zudem haben die Verhandlungsergebnisse ihren Preis. Ein weiterer ungedeckter Wechsel in Milliardenhöhe belastet das Budget.

Kein letztes Wort also, wie immer, wenn es um die Staatsfinanzen geht. Der Haushalt 94 liefert beweiskräftigen Stoff für die immer gleiche Klage: Die Gestaltungskraft der Politik versagt gerade da kläglich, wo es um die Fundamente des Gemeinwesens geht, bei Geld, Arbeit, sozialer Sicherheit... Verlangen wir aber statt letzter Worte erste, zweite oder dritte Schritte, dann zeigt sich in den jüngsten Kompromissen des Vermittlungsausschusses ein kleiner Hoffnungsschimmer. Denn die beiden großen Parteiläden im Land, die Union und die SPD, verabschieden sich zaghaft (und unfreiwillig) aus einer lähmenden Blockade.

Drei Jahre reichte der Mut der beiden Volksparteien gerade so weit, unangenehme Wahrheiten für die jeweils gegnerische Wählerklientel auszusprechen. Das Resultat war durchweg destruktiv: In den westlichen Ländern verbreitete sich parallel zum dumpfen Unbehagen ein beachtlicher Beharrungswille, im Osten das deutliche Gefühl, einfach nicht dazuzugehören. Der Zwang der Verhältnisse bringt die Akteure nun langsam zur Raison. Die Union, vom Niedergang gezeichnet, sucht händeringend nach Ergebnissen, nach Taten und Beweisen für ihre Handlungsfähigkeit. Die SPD wiederum wird durch ihren Aufschwung gezügelt. Die Aussicht, in weniger als zwölf Monaten den Riesenschuldenberg zu erben, läßt wenig Raum für Übermut.

Nach diesem Kompromiß wurde nicht gejammert, nicht triumphiert. Allein das ist so erfreulich, daß man für die heutige Pflegerunde die Erwartungen besser herunterschraubt. Schließlich gibt es immer noch die Koalitionsraison, und nach deren Logik müßte nun die FDP ein Trostpflaster bekommen. Tissy Bruns

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