: Das käme einer Revolution gleich
betr.: „Reiche zahlen kaum für die solidarische Gesundheitsversorgung. Ulla Schmidt verteilt Placebos“, Kommentar von Harry Kunz, taz vom 18. 11. 05
Vor einiger Zeit wurde ein junger Kollege von mir wegen einer akuten Nierenkolik mit dem Notarztwagen in die Uniklinik Hamburg-Eppendorf gebracht. Dort lehnte man die Aufnahme des immerhin lebensbedrohlich Erkrankten mit der Begründung ab, es gebe keine freien Kapazitäten. Als dem Kollegen einfiel, dass er zum Schulabschluss eine private Zusatzversicherung geschenkt bekommen hatte, zückte er die entsprechende Plastikkarte und bekam nach dem Hinweis „das ist was anderes“ sofort Zimmer und Behandlung.
Zweites Beispiel: Vor drei Jahren wurde meine Schwester an einem Tumor im Stammhirn operiert. Der einzige Spezialist weltweit, der sich diesen Eingriff zutraute, behandelt ausschließlich Privatpatienten. Meine Schwester hat überlebt – ich wäre heute tot, da ich gesetzlich versichert bin – aber selbst wenn ich wollte, würde ich auf Grund früherer Erkrankungen von keiner Privatversicherung genommen. Und die bislang annähernd 400.000 Euro für die Behandlung hätten weder ich noch meine Familie aufbringen können.
Ulla Schmidt will nicht weniger erreichen, als dass Ärzte für dieselbe Leistung dasselbe Honorar bekommen – unabhängig von der Kassenzugehörigkeit. Die Aussage, „ich behandle nur Privatpatienten“, soll der Vergangenheit angehören. Das ist kein „Placebo“, das käme einer Revolution gleich.
NAME UND ANSCHRIFT SIND DER RED. BEKANNT
„Ulla Schmidt verteilt Placebos“, finde ich auch. Darüber hinaus stelle ich die Frage, warum in einer Solidargemeinschaft überhaupt Obergrenzen bei den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und genauso zur gesetzlichen Rentenversicherung bestehen? Soll doch jeder Berufstätige nach seinen Möglichkeiten zahlen – prozentual, wie beim Gewerkschaftsbeitrag. Obergrenzen wären dann allenfalls beim Arbeitgeberanteil angemessen.
HANS-JÜRGEN SITTEK, Rheinberg