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Archiv-Artikel

Das „Zentrum gegen Vertreibungen“ und die polnische Kritik Taktische Spielchen

Der diesjährige „Tag der Heimat“ des Bundes der Vertriebenen (BdV) stand unter gänzlich anderen politischen Vorzeichen als der letztjährige. 2004 hatte das Projekt des Bundes zur Errichtung des „Zentrums gegen Vertreibungen“ zu einer erbitterten polnisch-deutschen Konfrontation geführt. Dass dieser Streit jetzt abgeklungen ist, bedeutet keineswegs, dass die damaligen polnischen Einwände gegen das Zentrum ausgeräumt worden wären. Der Stimmungswandel hängt mit der Aussicht auf einen Regierungswechsel in Berlin zusammen.

Kommentatoren wie der Deutschland-Experte Pieciak haben jüngst hervorgehoben, eine von Angela Merkel geführte Bundesregierung werde sich den USA annähern und Schluss machen mit der von Gerhard Schröder betriebenen Achsenbildung Paris–Berlin–Moskau. Dieser mögliche Politikwechsel sei so bedeutsam, dass jetzt gegenüber dem Zentrum eine Kompromisslinie gefunden werden müsse, etwa durch die Beteiligung polnischer offizieller Institutionen wie des Instituts für nationales Gedenken (IPN) am BdV-Projekt.

Stellungnahmen wie diese werfen nachträglich ein Licht auf die Motive, die die groß angelegte Pressekampagne gegen die Konstruktion einer neuen deutschen Opfermythologie geleitet hatten. Wenn eine solche Gefahr tatsächlich bestand, so wäre diese Gefahr durch eine Kurskorrektur der deutschen Außenpolitik im Verhältnis zu den USA überhaupt nicht beseitigt gewesen. Die jetzt vorgeschlagene polnische Kompromisslinie zeigt vielmehr, dass die damaligen Einwendungen taktisch motiviert waren. Sie dienten den nationalistischen Kräften in Polen zuerst in den Medien und dann in den Parteien als Instrument, eine Angstpsychose heraufzubeschwören und sich damit Massenanhang für ihre politische Linie zu verschaffen.

Die Einwände gegen das BdV-Zentrum bestehen nach wie vor zu Recht. Sie gelten unabhängig von der zunehmend gegenstandslosen Befürchtung, das polnisch-deutsche Verhältnis werde durch das Projekt belastet. Vielmehr geht es, warum es immer ging: um das geschichtliche Selbstverständnis der Deutschen. CHRISTIAN SEMLER