Das Volk kennt die Kandidatin noch wenig: Renate wer?
Renate Künasts Quasi-Kandidatur ist Stadtgespräch. Oder? Ausgerechnet in Schöneberg kennt sie längst nicht jeder.
Eigentlich ist Schöneberg eine grüne Bastion. Doch wer dieser Tage mit Passanten spricht, kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Renate Künast, die künftige grüne Spitzenkandidatin, hat hier noch einiges zu tun.
Es sind besonders die einfachen Menschen, an denen die Politik vorbeizugehen scheint. "Renate wer?", fragt der Mitarbeiter eines Schnellimbisses in der Rheinstraße. Obwohl die Politikerin hier ihren Wahlkreis hat und sogar in der Nähe wohnt, hat der Mann noch nie von ihr gehört. "Was hat die mit Schöneberg zu tun?" Er zieht sich die rote Kochmütze ins Gesicht und streicht verlegen seine Schürze glatt. "Mit Politik hab ich nichts am Hut", sagt er kleinlaut. Dann verschwindet er wieder in der Imbissbude.
Künast und ihre Kandidatur für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin 2011 sind seit gestern Stadtgespräch - doch bei vielen Bürgern ist dies offenbar nicht angekommen. Dabei ist Tempelhof-Schöneberg Künasts Rückhalt: 2009 erlangten die Grünen hier 26,3 Prozent der Erststimmen - fast 4 Prozentpunkte mehr als die SPD. Auf ihrer Internetseite präsentiert sich die Grünen-Vorsitzende als echte Berlinerin. "Oft kaufe ich in den vielen interessanten Kiez-Läden ein. Am liebsten biologisch und regional, ganz klar."
Doch in einigen Geschäften ist die Politikerin gänzlich unbekannt. Die Verkäuferin in einer Bäckerei kann nichts mit dem Namen "Renate Künast" anfangen. "Ich kann ihnen leider nicht weiterhelfen. Fragen Sie doch mal nebenan beim Metzger." Doch auch dort: Fehlanzeige. Der Müllmann und ein Postbote wissen ebenfalls nichts mit Künast anzufangen. "Wowi" kennen sie dagegen alle. "Den find ick jut", sagt die junge Verkäuferin in einem Damenmodengeschäft, "der ist beliebt in Schöneberg."
Weiter nördlich hinein in Künasts Wahlkreis führt die Rheinstraße, gesäumt von kleinen Lebensmittelhändlern und Blumenläden. Auch Sven Andrée hat hier sein Geschäft. Er verkauft Weihnachtsschmuck, Geschenkpapier und künstlerische Postkarten. "Der typische Schöneberger kauft hier ein", sagt Andrée. Der, der auch die Grünen gewählt hat, könnte das bedeuten. Auch Andrée, Strickpullover, randlose Brille, könnte ihr Wähler sein. Natürlich weiß er von Künasts Kandidatur, er hat es in der Zeitung gelesen. Aber so recht mag er nicht an ihren Erfolg glauben. "Da ist eine große Ambivalenz, Künast ist so verbissen." Deshalb wolle er erst einmal das Parteiprogramm abwarten, sagt Andrée. Sehen, was Künast konkret zu sagen hat. "Die Schöneberger sind ja nicht nur grün, sondern auch etwas konservativ."
Ähnlich sieht es Michael Hilbold, der im schnuckligen S-Bahn-Stübchen Friedenau gerade seinen Kaffee bezahlt. "Künast ist vielen Schönebergern ähnlich", sagt der Unternehmensberater, "Sie kommt aus der Protestbewegung und ist jemand geworden. Aber ob sie auch das Beste für Berlin will?" Jetzt, wo es um das Bürgermeisteramt geht, ist Hilbold sich nicht sicher. "Eigentlich ist Wowereit auch viel repräsentativer", findet er, "Künast ist klug, aber so wenig empathisch. Ein ziemlicher Karrieremensch." Ganz auf Künast verzichten möchte der Akademiker dann doch nicht. "Eigentlich könnten sie sich das Feld teilen", findet er. "Mit Wowereit als Bürgermeister und Künast als grauer Eminenz."
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