Wahlrecht : Das Volk kämpft um die Macht
Es ist erstaunlich, auf welche Argumente Parlamentarier verfallen, wenn in die Verteilung ihrer Pfründen eingegriffen werden soll. „Zu kompliziert“ sei das von den Volksinitiativen vorgeschlagene Wahlrecht, behaupten SPD und CDU. Dieses Argument wird vorgeschoben, um zu verdecken, worum es geht: einen Machtkampf zwischen dem Volk und den Politikern – insbesondere der „Volksparteien“.
KOMMENTARVON GERNOT KNÖDLER
Das Argument ist falsch, weil etwa die Baden-Württemberger mit einem viel komplizierteren Wahlsystem zurecht kommen müssen. Kein Wähler ist gezwungen, die Freiheiten, die ihm das neue Wahlrecht bietet, auch zu nutzen: Er kann alle Stimmen dem obersten Listenkandidaten seiner Lieblingspartei geben. Ins Zwielicht gerät das Argument, weil die Hamburger CDU nicht einmal bereit ist, das Volkswahlrecht auch nur auszuprobieren.
Nein: Die Parteien haben sich dran gewöhnt, dass sie selbst bestimmen, wer für einflussreiche Posten in Frage kommt. Wie vielerorts beklagt worden ist, gilt das nicht nur für die Parlamente, sondern auch für Rundfunkanstalten, städtische Unternehmen und die Verwaltung.
Vielleicht erklärt sich daraus, dass es etwa die Hamburger Christdemokraten wagen, das Volk bereits zum zweiten Mal hintereinander vor den Kopf zu stoßen: Diese Machtposition wollen die Parteien natürlich nicht aufgeben.