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Archiv-Artikel

Das Verschwinden von Liebe und Leid in den Bergen

BERGFILM Hannes Langs Dokumentarfilm „Peak“ erzählt ohne Hast und Häme von den Folgen des Tourismus in den Tiroler Alpen

Am Anfang und am Ende von Hannes Langs Dokumentarfilm „Peak“ singen Menschen in alpinen Trachten von einer Zither begleitet Lieder über die schöne Natur und dass ihnen ihr Leben so gut gefällt, dass sie mit keinem König tauschen möchten. Zunächst denkt man „authentisch“, doch die Postkartenbilder sind selber Teil des Tourismus, von denen die Tiroler Alpen heimgesucht werden.

In streng komponierten Cinemascope-Bildern, ohne Hast und Häme illustriert der Dokumentarfilmer, der selber in den Bergen aufwuchs, die alte Erkenntnis, dass der Tourismus das zerstört, was er zu finden sucht. Dies umso mehr, als ihm die Natur infolge der Erderwärmung dabei hilft.

Der Gletscher, auf dem die Urlauber in Massen sporteln, zieht sich zurück. Vor 25 Jahren reichte er noch 300 Meter tiefer ins Tal. Der Prozess kann nicht mehr gestoppt, sondern nur noch verlangsamt werden, indem man etwa Teile der Gletscherzunge im Sommer mit Planen abdeckt. Da es immer später zu schneien anfängt, die Wintersaison jedoch schon Anfang Dezember beginnt, versucht man, mit Kunstschnee für gute Pisten zu sorgen. Das dafür benötigte Wasser wird in künstlichen Speicherseen gesammelt. Schneeerzeuger der neuesten Generation werden eingesetzt. Die Technik kommt aus Israel. Tagsüber amüsieren sich die Touristen auf den Pisten, nachts sorgen Science-Fiction-haft anmutende Flotten von Spezialfahrzeugen für künstlichen Schnee.

Der Tourismus wirkt wie ein Hamsterrad, in dem die Touristen sich nicht weniger abstrampeln als die Einheimischen. Letztere arbeiten schon lang nicht mehr als Bergbauern, sondern im Gastgewerbe und ziehen irgendwann ins Tal. Die Bergdörfer sterben aus; in manchen wohnen nur noch zwei oder drei alte Menschen. Weil kaum noch jemand die Felder und Wiesen bewirtschaftet, wuchert der Wald wieder alles zu. Im Sommer sind die hässlichen Touristenburgen verlassen.

Stille Bilder, Porträts auch von Touristen und Touristengruppen wechseln sich in Hannes Langs Film ab mit Interviews, in denen Kunstschneetechniker ihre Maschinen erklären und alte Menschen erzählen. Der Tourismus habe viel zerstört, sagt eine alte Frau. „Und zwar die schönsten Dinge. Denn die Liebe gibt es nicht mehr, und auch das Leid ist beinahe verschwunden. Es rette sich, wer kann.“ DETLEF KUHLBRODT

■ „Peak“ läuft im fsk und im Filmrauschpalast