Das Technische Hilfswerk in Japan: Als Geschenk ein Kartenspiel
Georgia Pfleiderer war mit dem Technischen Hilfswerk im Katastrophengebiet. Sie sagt: "Es war wichtig, dass die Japaner die internationale Solidarität gespürt haben"
BERLIN taz | Unverrichteter Dinge ist das Rettungsteam des Technischen Hilfswerks von seinem Einsatz aus Japan zurückgekehrt. Bereits am Wochenende traf es auf dem Frankfurter Flughafen ein. Weder Ausrüstung noch Rettungshunde hatte es eingesetzt. "Das ist sicherlich enttäuschend und frustrierend", sagt Georgia Pfleiderer über ihren ersten THW-Einsatz im Ausland. "Aber ich denke, es war wichtig, dass die Japaner die internationale Solidarität gespürt haben."
Die 45-Jährige ist seit sieben Jahren hauptberuflich für das THW in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Pfleiderer gehört seit 2009 zu der Schnelleinsatzeinheit "Bergung Ausland" und fühlte sich gut auf den Ernstfall vorbereitet, nicht aber auf ein dreifaches Unglück aus Erdbeben, Tsunami und Reaktorhavarie. "Wenn sich das eine Übungsleitung überlegt hätte, hätten wir gesagt, das ist total überzogen. Aber es war leider Realität", sagt sie. Am 13. März, nur zwei Tage nach dem Beben, trafen die 41 THW-Retter, darunter sechs Frauen, in Japan ein.
Mit 13 Tonnen Ausrüstung fuhren sie zum Einsatzort Tome, 50 Kilometer nördlich der vom Tsunami verwüsteten Stadt Sendai und 30 Kilometer von der Küste entfernt. Neben einem Schweizer Team schlugen die THWler auf einem Sportplatz ihr Lager auf. Sie hatten Betonkettensägen und Bohrhämmer dabei, akustische Ortungsgeräte und Spezialkameras, mit denen man "wie mit einem Endoskop in Hohlräume unter Trümmern hineinschauen kann", erklärt Pfleiderer. Auch drei Rettungshunde standen bereit. Zum Einsatz kamen sie nicht.
Dreimal mussten sie umkehren
Dreimal rückten die THW-Retter in der vergangenen Woche mit der örtlichen Feuerwehr aus, dreimal mussten sie umkehren, ohne das Katastrophengebiet gesehen zu haben. Zuerst gab es eine Tsunamiwarnung, dann zwang der Einbruch der Dunkelheit zum Rückzug, beim dritten Mal hieß es, das Gebiet sei zu gefährlich. "Oberste Prämisse ist der Eigenschutz der Mannschaft", erklärt Pfleiderer.
In Tome selbst seien von 100 Wohnhäusern nur zwei teilweise zerstört gewesen, es gab Elektrizität, berichtet die THW-Helferin, sogar Kinder spielten auf den Straßen. An das Unglück erinnerten nur die langen Schlangen vor Supermärkten und Tankstellen.
Nach 100 Stunden lohnte keine weitere Suche nach Überlebenden. Die Chance geht gegen null, sagt Pfleiderer. Wie wichtig die Anwesenheit des THWs dennoch für die Japaner war, zeigten sie mit kleinen Geschenken. "Ein älterer Herr kam in unser Camp und hat uns ein Kartenspiel und eine Musikkassette geschenkt", erzählt die THWlerin. Die Sprachbarriere spielte dabei keine Rolle. "Er hat nur auf einem Kalender auf das Datum des Bebens gezeigt." Mit der Gewissheit, wenigstens moralisch geholfen zu haben, brachen die Einsatzkräfte des THW die Zelte in Tome ab und flogen vergangenen Freitag vom 200 Kilometer nördlich gelegenen Misawa aus nach Hause.
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