■ Das Portrait: István Csurka
Der ungarische Dramatiker István Csurka hielt die Öffentlichkeit seines Landes schon in Atem, als er die Schlagzeilen der Weltpresse noch längst nicht erklommen hatte. Vor 1989 Stammtischpolitiker, schlüpfte er nach der Machtübergabe der Kommunisten in die Rolle des Parlamentsabgeordneten. Von diesem politischen Hochsitz aus zielt er seither auf alles, was auch nur entfernt „jüdisch-bolschewistisch-kosmopolitisch-antiungarisch“ aussieht.
Csurka wurde 1934 in Budapest geboren und studierte von 1952 bis 1957 Dramaturgie. Der kommunistische Kultur- und Zensurpapst György Aczél zeichnete ihn zweimal mit dem renommierten Attila-József-Literaturpreis aus und belegte ihn nach antisemitischen Tiraden mit einem zeitweiligen Publikationsverbot. Gegen den Schatten seines Vaters, der ein rechtsradikaler Literat war, kämpfte er, wie der Dichter István Eörsi ironisch bemerkte, dreißig Jahre lang an. Am Ende trat er in die Fußstapfen seines Erzeugers.
Obwohl er sich und seine Dramen, die die kleinbürgerliche Existenz beschreiben, einst von den Kommunisten hatte feiern lassen, fordert er nun deren gnadenlose Bestrafung. Gleichwohl hat er an der Idee des Sozialismus grundsätzlich nichts auszusetzen, ein Dorn im Auge sind ihm jedoch das fehlende nationale Element sowie der „jüdisch-kosmopolitische Einfluß“. Das Mehrparteiensystem lehnte er bereits 1989 – vor seiner Einführung – ab. Statt Kapitalismus verlangt er für Ungarn einen „Dritten Weg“, weil die ungarische Nation zwischen Washington und Moskau zerrieben werde. Daß er lange Zeit Vizevorsitzender der größten Regierungspartei MDF war, verlieh seinen Vorhaben einen salonfähigen Anstrich.
Der ungarische Politiker gründete die nationalistische „Gerechtigkeitspartei“ Foto: Reuter
International in die Schlagzeilen geriet Csurka mit seinem antisemitischen Manifest vom 20. August 1992, in dem er für Ungarn „lebensraumschaffende Möglichkeiten“ propagierte. Regierungspolitiker brauchten Monate, um sich von diesem Pamphlet zu distanzieren. Obwohl seine soeben gegründete „Ungarische Gerechtigkeitspartei“ im Parlament die einzige ohne Legitimation durch die Wähler ist, vertritt sie laut Csurka allein die wirklichen Interessen der Ungarn. Keno Verseck
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