■ Das Portrait: R. Russo Jervolino
foto nr. 18
Foto: Reuter
Daß an Italiens Kabinettstischen die Frauen, so vorhanden, die „einzigen Männer“ sind, gehört zu den Gemeinplätzen, die Rosa Russo Jervolino „nicht mehr hören kann“: der „Automatismus, mit dem einem da sozusagen ,Hosen‘ verpaßt werden, ist nichts als umgekehrter Machismo“. Sie hingegen, Erziehungsministerin und seit zwei Wochen zur Präsidentin der Democrazia cristiana (DC) gekürt, will sich „überhaupt nicht mit Männern messen – aber auch nicht Polit-Babysitterin sein“. Sie will „die Arbeit tun, die wir zur Totalrenovierung der italienischen Politik brauchen, nichts weiter.“
Fragt sich nur, mit wem. Die 56jährige Neapolitanerin weiß, wie dünn die Personaldecke der DC ist. Die meisten Notabeln sind längst pensionsreif, andere stehen unter Korruptionsverdacht, und bloß voranstürmende Nachrücker helfen angesichts der ideologischen Krise der Partei auch nicht weiter.
Russo Jervolino will daher an der Seite des neuen DC- Parteisekretärs Mino Martinazzoli, der auch zu den wenigen Unbelasteten zählt, vor allem die „persönliche Glaubwürdigkeit“ wiederherstellen. Sie fängt dabei mit einem für Italiens Politiker ungewöhnlichen Schritt an: „Für mich“, sagt sie, „gibt es im Leben eine klare Reihenfolge, und die lautet: zuerst meine Kinder“ (sie hat drei, ihr Mann, ein Arzt, ist verstorben), „dann die Vorbereitung von Gesetzen für unsere Gesellschaft – und dann, erst dann die Politik“. Normalerweise lautet die Reihenfolge genau andersherum.
Der Grund für die entschiedene Umkehrung dieser Ordnung liegt wohl in der Familiengeschichte der Jervolinos. Der eine Großvater war Mundschenk Napoleons III, der andere österreichischer Baron, Offizier im Heer Franz Josefs. Ihr Vater war viermal Minister, die Mutter eine Adelige aus Südtirol und einige Zeit Staatssekretärin. „Wer das erlebt hat“, sagt Rosa Russo Jervolino, „ist geheilt von der sogenannten ,Faszination der Politik‘“.
Tatsache ist jedenfalls, daß für sie „Familienpolitik das A und O der Politik überhaupt ist“. Das erklären natürlich im Katholiken-Land viele. Nur: Russo Jervolino sieht in der Familie nicht die „Keimzelle des Staates“ und auch nicht „den religiösen Atomkern“, sondern „den Ort, an dem die künftigen politischen und gesellschaftlichen Einstellungen vermittelt werden“. Und daran genau will sie arbeiten. Werner Raith
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