■ Das Portrait: Karsten Knolle
Von aller Welt kassierte er Prügel, und keiner wollte mehr etwas mit der Geschichte zu tun haben. Nur Tilman Zülch von der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ hielt dem Sachsen-Anhaltiner CDU-Landtagsabgeordneten Karsten Knolle die Stange, als dieser im August 92 mit dem parteilosen Landtagskollegen Jürgen Angelbeck rund 40 Kinder aus einem Waisenhaus in Sarajevo evakuierte. Zwei Kinder kamen damals durch Schüsse eines Heckenschützen ums Leben. Knolle und Angelbeck galten fürderhin als Polithasardeure. Für all jene, die schon in den Startlöchern gestanden hatten, um sich bei Erfolg mit der Aktion zu schmücken, hatte Knolle nur Verachtung über. Seine martialischen Tiraden brachten selbst politische Freunde dazu, dem 54jährigen zu raten, doch von seinen „Eisenarsch-Attitüden Abstand zu nehmen“. Doch dafür ist Militaria-Fan Knolle zu sehr Reserveoffizier. Als solcher trägt er im Magdeburger Landtag gern im Kasernenhof-Ton vor, daß ihm Tiefflieger über der Colbitz- Letzlinger Heide „mit dem Eisernen Kreuz tausendmal lieber sind als auch nur ein einziges Flugzeug mit dem roten Stern“. Nicht für seine Hymnen auf Bundeswehr und Soldatentum, sondern für die Evakuierungsaktion soll Knolle jetzt das Bundesverdienstkreuz kriegen. Vorgeschlagen für diese Ehrung wurde er von der Innungskrankenkasse Ostharz. Kleiner Schönheitsfehler: Die Kasse hat ihren Sitz in Knolles Wahlkreis Quedlinburg.
Soll das Bundesverdienstkreuz bekommen Foto: Archiv
Sachsen-Anhalts Regierungschef Werner Münch, der sich mit Gattin Mechthild inzwischen gern in Gesellschaft der Waisenkinder ablichten läßt, steckt nun in der Zwickmühle, die Ehrung des politischen Paradiesvogels zu befürworten oder abzulehnen. Knolle gehörte zu jenen CDU-Dissidenten, die Ende 92 unter dem Ex-CDU-Fraktionschef Joachim Auer die „Freie Fraktion“ im Magdeburger Landtag gründeten und damit die Mehrheit Münchs bedenklich ausdünnten. Knolle war es aber auch, der mit seinem Austritt aus der „Freien Fraktion“ nach wenigen Tagen ein Begräbnis 1. Klasse besorgte und sich zurück in den Schoß der CDU flüchtete. Unter deren Dach ist es zunehmend still geworden um den Reserveoffizier. Ein Bundesverdienstkreuz am Revers seiner Ausgehuniform käme dem Herrn also ganz gelegen. Eberhard Löblich
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen