■ Das Portrait: Irene Pivetti
„Gib Gott deine Seele und Bossi deine Stimme“ war der Wahlspruch der 31jährigen Irene Pivetti. Die Abgeordnete, die am Samstag zur Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses gewählt wurde, versuchte im Wahlkampf, insbesondere die unentschlossenen Katholiken auf ihre Seite zu ziehen. Auf die Seite der „Ligen“ nämlich, für die die in Mailand geborene ehemalige Journalistin schon seit 1992 im Parlament sitzt.
Schon überschüttet die italienische Presse Pivetti mit allerlei Beinamen: die „Heilige Johanna“ sei sie, die „Ornella Muti des Parlaments“, die neue „Eiserne Lady“ Italiens. Sicher ist: Pivetti ist stockkonservativ, streng katholisch, strikte Abtreibungsgegnerin, wird wegen antisemitischer Äußerungen von den Juden bekämpft, und sie ist mit 31 Jahren für dieses Amt so jung, daß sich in vielen Medien neben allen anderen Bezeichnungen der Begriff der „Baby-Präsidentin“ durchgesetzt hat.Den Vorwurf des Antisemitismus zog sie sich zu, als sie nach antijüdischen Ausschreitungen gegen eine angebliche „Hetzjagd auf Rechtsradikale“ polemisierte und Nazi-Skinheads in Schutz nahm. Auch ihre Äußerung, ein guter Katholik könne nicht immer jedem das Recht zugestehen, für seine Religion einzutreten, läßt nicht auf ein von Toleranz geprägtes Weltbild schließen. Mitglieder des Parlaments beschimpften Pivetti als Rassistin. Ob das alles wirklich ihre eigenen Einschätzungen sind, wird von vielen bezweifelt, immerhin gilt sie Beobachtern als „reine Kreatur von Ligen- Chef Bossi“, geschaffen, um konservative Wählerschichten zu ziehen.
Die harsche Kritik, die von der gesamten Opposition an ihrer Person geübt wird, ficht sie nicht an: „Das ist alles dummes Geschwätz“, sagt sie, und verspricht, als Präsidentin des Parlaments neutral über den Parteien zu stehen.
Neue Präsidentin des italienischen Abgeordnetenhauses Foto: Reuter
Pivetti gilt als Rauhbein. Selbst mit dem Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini geriet sie aneinander, als sie ihm vorwarf, die Kurie „wie eine Industrieholding“ zu führen. Kein Wunder, daß ihr das Freundlichtun im Parlament gegen den Strich geht: Seit langem kämpft sie dafür, daß die traditionelle Anrede „onorevole“, zu deutsch Ehrenwerter, abgeschafft wird.
Eine Frau an der Spitze – wahrlich kein Grund zum Jubel. Denn schon kündigte sie an, ihre Präsidentschaft so zu führen, wie dies bis 1992 die KP-Abgeordnete Nilde Iotti hielt, „nämlich als Mann“. Bernd Pickert
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