■ Das Portrait: Ruth Liepman
„Ausgeschieden am 28.7. 1934 durch Verzug nach Amsterdam“, ein Euphemismus, eingetragen auf der Steuerkarte der jüdischen Gemeinde Hamburgs. An ihrem 25. Geburtstag, heute genau vor 60 Jahren, mußte Ruth Lilienstein, so Liepmans Mädchenname, aus Deutschland fliehen.
Literaturvermittlerin, heute 85 Foto: Isolde Ohlbaum
Bereits im Juni 1933 hatte die damalige Gerichtsreferendarin Berufsverbot erhalten, wie sie sagt, „zuerst einmal eher als Kommunistin denn als Jüdin“. Wegen ihres politischen Engagements wurde sie denunziert, die Wohnung ihrer Eltern von der Gestapo durchsucht. Ein halbes Jahr nach ihrer Flucht erließ die Staatsanwaltschaft Hamburg einen Steckbrief „wegen Vorbereitung zum Hochverrat“.
Holland wurde ihr Exilland. Als Mitarbeiterin des Schweizer Konsuls rettete sie vielen Verfolgten der Nazis das Leben. Während der deutschen Besatzung arbeitete sie im Widerstand. 1943 mußte sie untertauchen. Dank der Zivilcourage einer calvinistischen Arbeiterfamilie überlebte sie.
Nach der Befreiung kehrte sie nach Hamburg zurück. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Schriftsteller und Journalisten Heinz Liepman, gründete sie eine Literaturagentur, eine in Deutschland bis dato unbekannte Einrichtung.
Der Literaturvermittlerin Ruth Liepman verdanken deutsche Leser die Kenntnis von Autoren wie Mailer, Salinger, Malpass. Ihre Agentur betreut heute die Werke von Norbert Elias, Anne Frank und Erich Fromm. Sie vermittelt auch James Baldwin, Elias Canetti, Arthur Hailey und Nagib Mahfus.
1961 verlegten die Liepmans Wohnung und Sitz der Agentur nach Zürich, auch wegen „des nach wie vor oder schon wieder sehr aggressiven Antisemitismus in Deutschland“, wie ihr Freund Fritz J. Raddatz rückblickend sagt.
Die Stadt Zürich verlieh Ruth Liepman 1992 eine Ehrenmedaille; nicht nur wegen ihrer literarischen Verdienste – man würdigte auch die „deutsche Zeugin des unerschrockenen antifaschistischen Widerstandes“. In Hamburg hingegen lehnte die Kulturbehörde eine Ehrung ab. Peinlich!
Im letzten Jahr erschienen Ruth Liepmans Lebenserinnerungen unter dem Titel „Vielleicht ist Glück nicht nur Zufall“, Erinnerungen einer Frau, die der Solidarität ihrer Freunde viel verdankt. Der immer noch jungen und eigensinnigen Ruth Liepman einen herzlichen Geburtstagsglückwunsch und „Alle Rosen!“ Wilfried Weinke
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