■ Das Portrait: Vilmos Almasi
Wegen Kriegsdienstverweigerung eingeknastet Foto: M.Beck
Der zweiunddreißigjährige Vilmos Almasi gehört zu den über zweihundert Kriegsdienstverweigerern aus dem kleinen nordserbischen Dorf Tresnjevac, die im Mai 1992 den Eintritt ins Militär verweigert hatten. Jetzt schlägt das Militär zurück: Seit Montag sitzt Vilmos in einer Haftanstalt in Subotica nahe der ungarischen Grenze. Ein Gericht hatte ihn zuvor zu vier Monaten Gefängnis verurteilt.
Vor zwei Jahren hatte Vilmos Almasi in Tresnjevac den Massenprotest eines ganzen Dorfes maßgeblich mitgesteuert. Die 200 zu „Reserveübungen“ einberufenen Männer versammelten sich damals mit Hunderten Freunden und Verwandten in der zentralen Dorfkneipe, dem „Zitzer-Club“. 92 Panzer umzingelten daraufhin fast vier Tage lang das überwiegend von Ungarn bewohnte Fleckchen. Die zweitausend DorfbewohnerInnen weigerten sich, ihre Söhne, Ehemänner oder Väter in den Krieg im ehemaligen Jugoslawien ziehen zu lassen. Vilmos Almasi und seine Frau Tünde (24) gehörten von Beginn an zu den Unbeugsamen.
„Wir haben uns vor den Panzern nicht gefürchtet“, sagt Vilmos. „Warum sollten die schießen? In unserem Dorf gibt es keine Waffen, außer ein paar alten Jagdgewehren.“ Angst hatte Tünde um ihren Mann erst, als er wenig später zur Militärbehörde zitiert wurde.
Vilmos blieb bei seiner Entscheidung. „Ich hatte zwei Möglichkeiten“, sagte er, „im Schatten Europas als Kriegsverbrecher zu leben oder den Mut aufzubringen, solche Verbrechen abzulehnen.“ Die Militärs schickten ihn trotzdem vorläufig zurück und begingen einen entscheidenden Fehler. Bei der Anhörung gaben sie zu, es handele sich nicht um die Einberufung zu einer Reservistenübung, sondern um die Mobilmachung zum Krieg.
Der wieder freigelassene Vilmos Almasi und seine MitstreiterInnen gründeten im Juni 1992 die „Geistige Republik Zitzer“ – ein symbolisches Staatsgebilde. BürgerIn kann werden, wer „im Geiste“ die Idee der Kriegsdienstverweigerung unterstützt. Allein aus Deutschland kamen bisher rund 500 Anträge auf Mitgliedschaft.
Daß die Militärs jetzt mit dem erneut eingeknasteten Vilmos Almasi einen führenden Kopf dieser Republik bestrafen, soll für die übrigen Verweigerer aus Tresnjevac offenbar abschreckend wirken. Inzwischen geht die Angst um im Dorf, daß neue Einberufungsbescheide folgen. Werner Paczian
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