■ Das Portrait: Wilma Rudolph
Als Wilma Rudolph bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom über 100 und 200 Meter siegte und mit der US-Sprintstaffel die 4 x 100 Meter gewann, holte die damals 19jährige nicht nur drei Goldmedaillen, sondern schrieb auch noch ein Rührstück sondergleichen. Denn die am 23. Juni 1940 als 20. von 22 Kindern geborene Wilma hatte eine fast unglaubliche Serie von Erkrankungen hinter sich, die sie in der Kindheit fast das Leben gekostet hätten: doppelseitige Lungenentzündung, Scharlach und schließlich noch Kinderlähmung. Die Lähmung behandelte die Familie durch ständige Massagen so erfolgreich, daß Wilma Rudolph bereits mit 15 bei Olympia in Melbourne eine Bronzemedaille gewann.
Für die deutsche Öffentlichkeit gab es 1960 ein Déjà vu. So souverän, wie Jesse Owens 24 Jahre zuvor in Berlin die Rassenideologie der Nazis ad adsurdum geführt hatte, so leicht und locker zeigte Rudolph der bundesdeutschen Vorzeigesprinterin Jutta Heine zweimal die Hacken. Und das in einem Jahr, in dem der blonde Recke Armin Hary mit Weltrekord und Olympiasieg die Rassenrangfolge wieder geradegerückt hatte. Die Boulevardpresse schloß Rudolph trotzdem oder gerade deswegen in ihr Herz und verpaßte ihr den Beinamen „Schwarze Gazelle“. Aber auch der Spiegel war nicht frei vom rassistischen Unterton: „Amerikas schwarze Laufkatze“ habe einfach die längsten Beine, da müsse sie ja schneller laufen.
Schneller als der Rassismus Foto: Reuter
So schnell wie sie aufgetaucht war, verschwand Wilma Rudolph wieder in der Versenkung. Heutzutage würde jemand wie sie vielfache Werbemillionärin werden, damals hatte das Wort „Amateur“ durchaus noch Bedeutung. Rudolph war, anstatt vier Jahre später an den Olympischen Spielen teilzunehmen, mit ihrer bereits zweiten Ehe beschäftigt, aber jene drei Goldmedaillen in Rom hatten „für die Frauen-Leichtathletik soviel getan wie Jesse Owens für die Männer“, meinte Ollan Cassell, Präsident des US-Leichtathletik-Verbandes, nachdem Rudolph mit 54 Jahren vergangenen Samstag an Krebs gestorben war. Und Jackie Joyner-Kersee, Olympiasiegerin und Welrekordlerin im Siebenkampf, mußte weinen: „Wilma war mein Idol, sie hat für viele schwarze Athletinnen den Weg geebnet.“
Fast hätte sie auch noch als Olympiabotschafterin Berlin den Weg zu den Spielen 2000 geebnet, aber glücklicherweise ist ihr wenigstens das mißlungen. to
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