■ Das Portrait: Jean Giraudoux
Ein Antisemit? Foto: taz-Archiv
Jean Giraudoux (1882 bis 1944), französischer Diplomat und ironisch-skeptischer Autor erfolgreicher Theaterstücke und Romane, war einer jener Intellektuellen, die sich zwischen den Kriegen bei der Rechten engagierten. Jetzt ist in Frankreich eine Reihe seiner politischen Essays erschienen. („De pleins pouvoirs à sans pouvoirs“ im Verlag Juillard) Sie zeigen den Autor von „Der Trojanische Krieg findet nicht statt“ und „Amphitryon 38“ von einer wenig schmeichelhaften Seite. Er schrieb keine faschistische oder nazifreundliche Hetze, aber er war ein Repräsentant der auch in Deutschland nicht unbekannten Variante des Antisemitismus in Glacéhandschuhen. Hunderte von Seiten über die Krise der französischen Gesellschaft, ohne daß der Diplomat Namen nennt. Plötzlich dazwischen, zehn Zeilen lang, werden Schuldige genannt. Alles Juden. Dann wieder die Allgemeinheiten. Die Artikel entstanden zwischen 1935 und 1939. Als die Deutschen Frankreich besetzt hielten, schloß sich Giraudoux' Sohn de Gaulle in London an, sein Schwiegersohn der Résistance. Der Autor selbst diente dem Vichy- Regime. Giraudoux war brillant und witzig. Die Menschlichkeit seiner Stücke triefte nie, aber in seinem Herzen scheint er ein Antisemit gewesen zu sein. Wie viele damals.
Arno Widmann
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