■ Das Portrait: Susanna Agnelli
Es war ein aufgeregtes Gewusel von Professoren und Juristen, die da vorgestern abend zu Ministerehren gekommen waren und ihr Glück bei der Vereidigungszeremonie noch gar nicht fassen konnten. Nur sie, die einzige Frau im italienischen Kabinett, strahlte Ruhe und Ausgeglichenheit aus: Susanna Agnelli, 63, neue Außenministerin und für Ex- Regierungschef Silvio Berlusconi wohl der Grund, warum er seine Forza Italia zum Boykott der neuen Administration anhält.
Agnelli, die mit der Bezeichnung „Schwester des Fiat-Präsidenten Gianni Agnelli“ nur äußerst unzureichend beschrieben ist, verbindet das Charisma einer Nobelfrau aus dem vorigen Jahrhundert mit einer persönlichen Gradlinigkeit, die im Managertum meist genauso fehlt wie in der Politik.
Außenministerin aus der reichsten Familie Italiens Foto: Reuter
Schon in früheren Zeiten hat sie nicht nur als Staatssekretärin im Außenamt bewiesen, daß sie das Land ohne großmannssüchtige Attitüde vertreten kann. Ihr Name verbindet sich auch mit unüblichen Politikansätzen: 1974 rief sie in der VIP- Ferienstadt Santo Stefano nördlich von Rom als Bürgermeisterin eine Koalition ins Leben, der neben den industrienahen Republikanern auch Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten angehörten, eine Vorarbeit für die Öffnung der großen Industrie gegenüber der KP. Sie saß im Europaparlament und im Stadtrat von Rom, gehörte der Führung der Republikanischen Partei an, schrieb Bücher und sponserte zahlreiche Sportarten. Nie vergaß sie den Rat ihrer Gouvernante Miss Parker: Don't forget you are an Agnelli. Gleichzeitig aber versuchte sie auch zu zeigen, daß die Agnellis nicht nur Italien mit sich, sondern auch sich selbst mit dem Wohl Italiens identifizieren – ein Verhalten, das sie von ihren anderen Geschwistern unterscheidet.
Für Gewerkschafter und standfeste Linke hingegen ist Susanna Agnelli ein steter Stein des Anstoßes gewesen: persönlich kaum angreifbar, sahen viele in ihr die von der Fiat-Dynastie bewußt eingesetzte „Weichmacherin für die Massen“: wo „L'Avvocato“ Gianni mit harter Hand Tausende entließ oder die Löhne drückte, rief Susanna humanitäre und kulturelle Organisationen ins Leben.
Für Berlusconi ist sie vor allem deshalb ein rotes Tuch, weil mit ihrem Eintritt eine Art Segen der Großindustrie für die Regierung Dini verbunden scheint – der ihm selbst bei seiner Regierungsbildung versagt blieb. Werner Raith
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen