■ Das Portrait: Arno Widmann
Das vom Kampf nicht existierender, dafür aber mit um so größerer Heftigkeit ausgetragener Generationswidersprüche geschüttelte Feuilleton der Zeit hat in Arno Widmann einen Chef gewonnen, der die Mutlosen wieder aufrichten wird. Und dies kraft seiner schieren Anwesenheit auf dem Feldherrnhügel. Seine Sentenzen zur strategischen Lage im Kampf der Zeitungen um Marktanteile haben die Kürze und Prägnanz, die die Arbeit wirklicher Führungskräfte auszeichnet.
„Der Konflikt zwischen denen, die das Sagen haben und denen, die etwas sagen wollen, wird schärfer werden. Eine gute Zeit für Zeitungen, die noch wissen, wofür sie da sind.“ Das war für die taz geschrieben, am 7.1. 1995, aber für die Kollegen der Zeit gemeint, und es ist dort, wie die schließliche Berufung lehrt, auch auf fruchtbaren Boden gefallen. Arno Widmanns journalistische Karriere bezeugt auf eine rar gewordene Weise die Einheit von Werk und Person. Sind es nicht mehrfacher lebensgeschichtlicher Abbruch und Neubeginn, die das Individuum heute ausmachen?
Neuer „Zeit“-Kulturchef Foto: Doblinger/Paparazzi
Widmanns Weg vom taz- Gründungsmitglied zum stellvertretenden Chefredakteur der deutschen Vogue, von dort zum Feuilleton der FAZ und wieder zurück zur taz ist Ausdruck postmoderner Lebenshaltung. Er entspricht dem einzig legitimen, dem Spieltrieb. (Ums Überschießen anderer Triebe braucht sich die Zeit keine Sorgen machen. Widmann versicherte bereits dem Lesepublikum: „Das Erotische ist sehr zu meinem Bedauern nicht gerade mein Genre.“ Diese dem Zeit-Feuilleton überaus angemessene Triebbilanz schließt freilich von Arno Widmann selbst zugestandene „sentimentalische Neigungen“ nicht aus. Ihrer Herr zu werden, wird indes dem neuen Redaktionsmitglied nicht schwerfallen.)
Aber wird die Feuilleton- Redaktion der Zeit dem unsteten Wanderer ein ständiges Ruhekissen sein? Oder werden die sporadischen, aber dafür um so gehaltvolleren Interventionen des neuen Chefs nicht schon bald wieder auf ein neues, wenn möglich noch exquisiteres Publikum zielen? Pressesprecher der Saudis? Öffentlichkeitsarbeit für das Münchner Gärtnerplatztheater? „Der Leser weiß, daß das Leben die verrücktesten Geschichten spinnt, daß es aber eines guten Autors bedarf, um sie zwischen zwei Buchdeckel zu pressen.“ Gilt diese brillante Einsicht Arno Widmanns nicht auch für ihn selbst, als Erzeuger seiner journalistischen Karriere? C.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen