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■ Das PortraitNigel Finch

1985 übernahm Nigel Finch zusammen mit Anthony Wall das inzwischen notorische Kunstprogramm von BBC 2: „Arena“. Themen und Stil der Produktionen wirkten schräg, mutwillig und innovativ. Paradigmatisch hierfür sind zwei von Nigels frühen Filmen: „My way“ über die mythenbildende Rezeption des gleichnamigen Schlagers und „Das Privatleben des Fort Cortina“ über das beliebteste Auto der Briten. Was man der „alten Tante BBC“ nie zugetraut hatte, war passiert: Alltagskultur war hoffähig geworden.

Den Prix Italia bekam Nigel für eine fünfteilige Inszenierung des „Vampir“, Heinrich Merschners 19.-Jahrhundert-Oper. Es ist Nigels Soap-opera daraus geworden. Daneben gab es noch viele andere Preise, aber es wäre müßig, sie alle aufzuzählen. Bald wird die BBC einen neuen Preis für Dokumentarproduktionen haben, mit Nigels Namen.

Nigel Finch war mit Laurie Anderson befreundet, mit William Burroughs und mit David Leavitt, dessen Roman „Die verlorene Sprache der Krähne“ er zu einem Fernsehspiel machte. Aber sein eigentliches Interesse galt der bildenden Kunst, von der Malerei bis zur Architektur. Sein letztes Filmporträt zeigt die Bildhauerin Louise Bourgeois.

In diesem Sommer schließlich drehte Nigel Finch seinen ersten Spielfilm „Stonewall“. Polizeirazzia, Pflastersteine und eine erste, noch kaum geglaubte Widerstandseuphorie: „Stonewall“ hieß jene Kneipe in der Christopher Street, New York, die legendär geworden ist als Geburtsort der amerikanischen Schwulenbewegung.

Nigel Finch hat den Film nicht mehr schneiden können, da ein Virus seinen Sehnerv zerstört hatte. Seit Dezember war er blind. Aber Anthony Wall hat nach seinen Anweisungen gearbeitet und hofft, ihn bis zu den Festspielen in Cannes fertig zu haben.

Ein Dokumentarist Foto: BBC

Und sollte jemand nicht nach Cannes fahren, aber dafür mit dem Flugzeug durch die westliche Einflugschneise nach London einsegeln, dann kann er bald unten, in Nigels Garten, ein großes rosa Dreieck aus Tulpen bewundern. Nigel hat es für seinen Lebenspartner Rupert Haselden angepflanzt, als dieser die Welt nur noch vom Bett aus sehen konnte. Rür Rupert haben sie noch geblüht, aber für Nigel, selbst wenn er noch hätte sehen können, wären die Knospen dieses Jahr zu spät gekommen: Er starb am Dienstag letzter Woche, mit 45 Jahren, wie sein Freund Rupert, an Aids. Stephanie Castendyk

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