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■ Das PortraitDer Steinbutt

Ein entfernter Verwandter Foto: D. Wenske

Nehmen wir an, es war ein Steinbutt, den der Fischer einst wieder schwimmen ließ. Denn warum sonst würden uns die Brüder Grimm die Geschichte von dem Mann erzählen, der mit seiner Frau „in'n Pißputt“ lebt, wenn dieser nicht den besonders wohlschmeckenden Butt verschont hätte, sondern nur irgendeinen stinknormalen Hering? Der Fischer leistet wahrhaftig Verzicht. Und ohne viele Worte zu machen, geht er dann wieder „nach sine Fru in'n Pißputt“.

Wie das Märchen weitergeht, wissen wir, des Fischers Frau nimmt das Ruder in die Hand. Wollen wir aber etwas über unseren Steinbutt erfahren, so müssen wir beim Fischer bleiben, wie er da alle Tage am Meer sitzt und angelt – „un he angeld un angeld – un he seet und seet“, berichten die Brüder Grimm; und wir hören: Der Mann hat Zeit. Nun, Zeit ist das letzte, was wir haben, also schnell im Lexikon unter „Steinbutt“ nachgeschlagen: 0,1 bis 2 Meter langer Knochenfisch, beide Augen auf der linken Körperseite, durchschnittlich 2,5–5 kg schwer, kommt an den Küsten des Nordatlantiks und in dessen Nebenmeeren vor, wurde schon von Griechen und Römern als Speisefisch geschätzt und heißt nach den über die Oberseite verteilten Knochenhöckerchen in der Haut. Und, würde der Fischer dann beiläufig ergänzen, es gibt auch Butte, die sprechen können. Ja, ja, das Märchen, würden wir, nun schon eine Spur ungeduldig, abwinken, der Butt als verwunschener Prinz.

Aber das war es ja nicht, sagt da der Fischer: Ich hab' ihn doch bloß von der Angel losgemacht, weil er sprechen konnte. Und wir überlegen, ob wir nun endlich gehen sollen, denn dieser Mann ist wirklich ein bißchen von gestern. Mag ja sein, daß er sich gut auskennt mit den Fischen und mit Butten im besonderen; aber wie soll man auf so einem Hochseetrawler, wie sie da jetzt zu Dutzenden vor der kanadischen Küste auf Steinbuttfang sind, einen sprechenden Butt unter Tausenden von Butten in den großen Netzen überhaupt ausmachen? Ist doch viel zu laut auf so einem Schiff, die Mannschaft schreit herum, wenn die Netze eingeholt werden, und überhaupt: Das muß alles ganz schnell gehen. Und dann noch einen einzelnen Butt ins Meer zurückwerfen, nur weil der uns darum bittet? Und ihn der Konkurrenz überlassen? Nein, sprechende Butte gibt's bestimmt nicht mehr. Und für den Steinbutt haben wir ja das Lexikon und den modernen Fischfang. Bettina Markmeyer

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