Das Portrait: Der Geldbohrer
■ Karl-Horst Schirbort
„In der Sache bin ich knallhart“, sagt Karl-Horst Schirbort von sich selbst. Und so sind auch seine Forderungen. Der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KZVN) will „unbedingte Vertragsfreiheit“: Die Kassen sollten höchstens eine zahnärztliche Grundversorgung „auf zweckmäßigem Niveau“ finanzieren. Alles, was über das medizinisch absolut Notwendige hinausgeht, soll der Patient bei seinem Zahnarzt künftig privat in Auftrag geben und abrechnen. Jetzt steht der KZVN der Staatskommissar ins Haus, um Schirbort seines Postens vorläufig zu entheben.
Bisher war der 58jährige, beleibte Herr mit Goldrandbrille Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der niedersächsischen Vereinigung zugleich. Jetzt muß er um beide Posten fürchten. Zu Hause ist er in der Kleinstadt Burgdorf bei Hannover, hat dort seit 30 Jahren eine eigene Zahnarztpraxis. Beinahe ebensolange widmet er sich auch dem „berufspolitischen Vertretungsgeschäft“, wie er es selbst nennt.
Karl-Horst Schirbort, Zahnarztfunktionär Foto: ap
Der standespolitische Hardliner, der gern Kleinkariertes trägt, hat Niedersachsen zur Arena im Kampf gegen die „planwirtschaftliche Regulierung“ der Zahnarzteinkommen auserkoren. Früher bekämpfte der Verfechter zahnärztlicher Vertragsfreiheit mit Wahlanfechtungen und Klagen die gemäßigte Bundesführung der Kassenzahnärzte. Seit eineinhalb Jahren gibt er selbst als Bundesvorsitzender den Kurs an. Seitdem marschieren seine niedersächsischen Kassenzahnärzte im Kampf für die Vertragsfreiheit vorneweg. Im vergangenen Jahr drohten sie, aus Protest gegen die Budgetierung ihrer Einkommen die Bohrer aus der Hand zu legen. Bei der jüngsten Eskalation hat Schirbort bewußt einen vertragslosen Zustand zwischen Krankenkassen und Zahnärzten herbeigeführt, indem er rechtswidrig das gesetzlich vorgesehene Schiedsverfahren bestreiken ließ. Bei einem vertragslosen Zustand dürfen die Zahnärzte auch Kassenpatienten Rechnungen ausstellen – das hält Schirbort für „grundsätzlich richtig“.
Der Staatskommissar, den Schirbort als „Ende des freiheitlichen Gesundheitswesens“ bejammert, könnte dem Spiel ein Ende bereiten: Denn der darf praktisch alles – auch neue Honorarverträge mit den Krankenkassen abschließen. Drei Tage in der Woche nimmt Schirbort zur Zeit noch selbst den Bohrer in die Hand. Bald könnten es mehr werden. Jürgen Voges
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