Das Portrait: Der verlorene Sohn
■ Rudolf Wassermann
Rudolf Wassermann, im Bild als SPD-Justizreformer im Jahr 1968, heute Kolumnist bei Springers „Welt“ und dort ins Schußfeld von Leo Kirch geraten. Foto: Ullstein
Rudolf Wassermann, der nach rechts gedriftete sozialdemokratische Justizreformer, steht auf seine alten Tage noch einmal auf der „richtigen“ Seite. Als er am letzten Donnerstag in der Welt das Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommentierte, reagierte Springer-Großaktionär Leo Kirch und forderte die Ablösung des erst seit einem Jahr amtierenden liberalen Chefredakteurs Thomas Löffelholz.
Dabei war Wassermanns Kommentar keineswegs von kirchenkritischem Pathos geprägt; recht staatstragend hatte er lediglich auf die im Grundgesetz verankerte Trennung von Kirche und Staat hingewiesen.
Wassermann, der sich in den letzten Jahren mit seinen konservativen Kolumnen in der Welt einen soliden Ruf als juristischer Rechtsausleger erworben hatte, war in den späten 60er und frühen 70er Jahren als Justizreformer und Vordenker der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen (ASJ) bekannt geworden. Er war wichtiger Ratgeber von Justizminister Vogel in der sozialliberalen Reformphase. Sein Engagement galt vor allem der Demokratisierung der Justiz mittels Richterwahlausschüssen und der Zurückdrängung richterlicher Standesdünkel. Mit Nachdruck widmete er sich auch einer Reform der juristischen Ausbildung, die künftig sozial und demokratisch orientierte JuristInnen hervorbringen sollte.
Doch sein Reformeifer erlahmte mit zunehmendem Aufstieg in der Justizhierarchie. Bis zu seiner Pensionierung amtierte er schließlich als Präsident des Braunschweiger Oberlandesgerichts. In das publizistische Blickfeld seiner regelmäßigen Welt-Kolumnen gerieten insbesondere Regelverletzungen aller Art: Sitzblockaden, gewalttätige Demonstrationen, Soldatenbeleidigung, Drogenkonsum, all dies erfordert für Wassermann ein hartes Durchgreifen des Staates. Mit einigen Verfassungsgerichtsurteilen der letzten Zeit ging Wassermann daher ebenso hart ins Gericht wie zuvor mit Kinkels RAF-Initiative.
Oft stimmten seine Positionen bis ins Detail mit reaktionären Floskeln überein. Und dennoch dürfte es ihm tatsächlich in der Sache um die Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit (eng verstanden) gegangen sein. Wie sein jüngster Welt-Kommentar bewies. Christian Rath
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