Das Portrait: Schwuler Stadtrat
■ Thomas Niederbühl
Thomas Niederbühl will jetzt in München schwule Politik machen Foto: privat
Thomas Niederbühl ist katholisch. Nicht einer von diesen Allerweltskatholiken, die Weihnachten oder Ostern etwas Feierlichkeit brauchen, sondern einer, dessen Leben von der Amtskirche geprägt wurde. Der 34jährige, der am Sonntag in München zum ersten offen schwulen Stadtrat der Republik gewählt wurde, hat sein Abitur an der katholischen Privatschule Bruchsal gemacht, danach katholische Theologie studiert – und wäre beinahe Religionslehrer an einer bayerischen Schule geworden.
Doch 1989, nach seinem theologischen Staatsexamen, wurde in den Büros der Kirchenverwaltung bekannt, daß Thomas Niederbühl schwul ist. Und was das schwierigste für die Kirchenobrigkeit war: Er sagte es jedem, der es hören wollte. Da konnte die Amtskirche nicht wegsehen. Die Reaktion kam schnell: „Aus sexualethischen Gründen“ erhielt Niederbühl keine Lehrerlaubnis.
Dieses Berufsverbot habe ihn „eine Zeitlang schachmatt gesetzt“, sagt Niederbühl heute. Kurz habe er damals überlegt, politisch oder juristisch dagegen vorzugehen – doch einen solchen Aufstand gegen die Institution wagte er nicht: „Dafür war ich viel zu katholisch.“
Also suchte er Distanz zur Amtskirche, engagierte sich stärker in der Schwulenbewegung. Sehr bald begann er auch die Aids-Hilfe zu unterstützen, für die er jetzt seit sechs Jahren arbeitet.
Doch der Job in der Szene war Niederbühl nicht genug. Also fing er an, die „Rosa Liste“ aufzubauen – eine schwul-lesbische Wählergruppe, die 1994 nur um ein paar hundertstel Prozent einen Sitz im Stadtrat verpaßte. Doch jetzt hat es geklappt: Die Rosa Liste erreichte 1,5 Prozent der Stimmen.
Was er sich für die nächste Zeit vorgenommen hat? „Erst mal ist die Präsenz eines Schwulen im Münchner Stadtrat wichtig“, sagt Niederbühl. „Denn das macht hoffentlich vielen anderen Mut, die sich mit ihrer Homosexualität noch immer nicht in die Öffentlichkeit trauen.“ Seine politischen Vorstellungen decken sich fast völlig mit denen der Bündnisgrünen; seine Hoffnung ist, daß es im Münchner Stadtrat mit seiner Stimme wieder zu einer erweiterten rot-grünen Koalition reichen könnte.
Die CSU hat schon am Wahlabend klargemacht, daß sie in Thomas Niederbühl einen Lieblingsgegner sieht. Der Chef der Staatskanzlei, Kurt Faltlhauser, sprach schon von einer Koalition „des Oberbürgermeisters mit einem Schwulen“. Felix Berth
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