piwik no script img

Das PortraitDer abgespeckte Reifenmann

■ "Bibe"

Bibe macht das Beste aus seinem Typ Foto: Michelin

Was Millionen erträumen, war für ihn ein Kinderspiel: Sein Leben lang hielt „Bibe“ Bibendum sein Gewicht. 99 Jahre lang kämpfte er nie mit dem Pfunden, lebte stets mit dem exakt gleichen Umfang seiner – zugegeben nicht allzu schlanken – Taille. Damit ist es nun vorbei: Bibendum wird auf Diät gesetzt. Das Reifenmännchen soll moderner aussehen.

„Bibe“ ist einzigartig. Er hat keine Mutter, aber mindestens zwei Väter. Schon als Kind rauchte er Zigarren; seit einer Entziehungskur in den späten 20er Jahren hat er nie wieder einen Glimmstengel angerührt. Und er war – lange vor Neil Armstrong – der erste Mann auf dem Mond. Allerdings reiste er nicht mit einer Rakete, sondern standesgemäß auf einem Autoreifen.

Vier Jahre lang gingen Bibendums Väter, die Brüder Edouard und André Michelin, mit der Idee vom Reifenmännchen schwanger. Auf der Internationalen Messe in Lyon 1894 fanden sie sich vor einem Reifenstapel wieder. Sie betrachteten die seltsamen Umrisse des Stapels, dann meinte einer von ihnen: „Wenn du dir Arme und Beine drandenkst, hast du so etwas wie ein Männchen.“ Erst 1898 kreierte der französische Plakatkünstler O Galop den Michelinmann nach den Vorstellungen Edouards und Andrés. Auf dem ersten Poster hebt der Reifenmann einen Kelch, gefüllt mit Nägeln und Scherben, zum Toast. „Nunc est bibendum – nun ist es Zeit zu trinken“, ruft er dem Betrachter zu. Lange lebte er namenlos, erst um die Jahrhundertwende wurde er offiziell Bibendum getauft. In Frankreich wurde er bald liebevoll „Bibe“ gerufen: für den dicken Reifenmann der Beginn einer märchenhaften Karriere.

Schon früh begeisterte sich der talentierte „Bibe“ für Sport und Musik. Er wurde Catcher und Tennisspieler, Schauspieler und Stierkämpfer. Er bereiste alle fünf Kontinente und lernte so ziemlich jede Sprache. Unpolitisch war der Reifenmann nie: In zwei Weltkriegen kämpfte er in der Uniform der französischen Streitkräfte auf der Seite der Freiheit.

Auch heute ist „Bibe“ noch viel unterwegs. Am Rückspiegel von Trucks kreuzt er über die Straßen unseres Planeten, und auf den Reifen des Fahrgestells fliegt Bibendum mit jedem Spaceshuttle ins All – trotz seines Übergewichts.

Hoffentlich ist er nach seiner Abmagerungskur noch wiederzuerkennen. Sascha Borrée

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen