■ Das Porträt: Poul Schlüter
„Es geht uns unfaßbar gut in Dänemark.“ Diesen, seinen meistzitierten Satz ließ Poul Schlüter in den Anfängen seiner über zehnjährigen Amtszeit als Ministerpräsident fahren. Zum Ende hin wurden die Töne des Konservativen immer verhaltener. Sein gestriger Rücktritt nach dem Bekanntwerden seiner tiefen Verstrickung in den „Tamilen-Skandal“ war nur der Schlußpunkt einer langen Geschichte.
Nr. 12
Foto: Reuter
Zum Regierungschef auf Abruf wurde der 63jährige Schlüter spätestens im vergangenen Juni, als ihm die dänische Bevölkerung mit dem Nein zu den Maastrichter Verträgen die Gefolgschaft verweigerte. Seither verfestigte sich in Kopenhagen der Eindruck, es gehe dem dienstältesten Regierungschef in der EG vor allem darum, sich einen ehrenvollen Abgang zu verschaffen und zuvor noch den „Fehler“ der DänInnen gegenüber der EG zu korrigieren. Beide Ziele hat er verfehlt.
Schlüter, der große Opportunist der dänischen Politik, hat es drei Amtszeiten lang geschafft, oben zu bleiben. Das hätten dem Anwalt Anfang der 80er Jahre nicht einmal Parteifreunde zugetraut. 1982 erhielt er den Posten als Verlegenheitskandidat, nachdem der Sozialdemokrat Anker Jörgensen, entnervt von seiner eigenen Partei und den Gewerkschaften, den Krempel hingeworfen hatte. Die Konservative Partei war gerade dabei, ihre Rolle als größte bürgerliche Partei an die rechtsliberale Venstre zu verlieren. Unter Regierungschef Schlüter sackte sie dann von 26 auf 16 Prozent ab. Eine Mehrheit gegen Schlüter kam angesichts der eigenwilligen DänInnen und ihrem Wahlverhalten bis heute dennoch nicht zustande. Nicht einmal in seiner eigenen Partei, für die er nach 81 Jahren erstmals wieder einen Ministerpräsidenten stellte – 1901 war dies zuletzt geschehen –, ist irgendeinE NachfolgerIn in Sicht.
Schlüters politische Karriere, die mit seinem Eintritt als 15jähriger in die Konservative Partei begann, dürfte zu Ende sein. Das Parlament wird ihm die Lüge nicht verzeihen. Sein optimistisches Diktum von dem „unfaßbaren“ Wohlstand der DänInnen jedoch wird weiterleben. Wann immer in Dänemark über die mehr als elf Prozent hohe Arbeitslosigkeit und die enormen Steuerbelastungen debattiert wird, sagt garantiert jemand: „Es geht uns unfaßbar gut in Dänemark.“ R.W./dora
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