■ Das Motiv für den Prozeß gegen Monika Haas ist klar: Der Sieg muß lückenlos sein
Heute beginnt der letzte Prozeß zur Aufklärung des spektakulärsten Terroranschlages in der Geschichte der Bundesrepublik. Um den Forderungen der Entführer Hanns Martin Schleyers mehr Nachdruck zu verleihen, brachte ein palästinensisches Kommando der PFLP eine Lufthansa-Maschine voller deutscher Urlauber in seine Gewalt. Seitdem sucht die Bundesanwaltschaft nach den Verbindungsleuten zwischen RAF und PFLP und einer Frau, die die Waffen für das Kommando transportiert haben soll. Diese Frau soll Monika Haas sein. Der Verdacht ist nicht neu, war aber bislang nicht zu substantiieren. Den Beweis soll nun eine Kronzeugin erbringen.
Auf Betreiben des BKA wurde 1994 in Oslo die einzige Überlebende des palästinensischen Kommandos, Soraya Ansari, verhaftet und ausgeliefert. Die Vernehmungen in Oslo haben deutlich gemacht, daß Frau Ansari, schon einmal in Haft und schwerkrank, bereit sein wird, alles mögliche zu bezeugen, wenn sie denn nur schnell wieder nach Norwegen darf.
Vielleicht hat Monika Haas ja tatsächlich die Waffen nach Mallorca geschmuggelt, vielleicht hat sie auch für den israelischen, amerikanischen oder bundesdeutschen Geheimdienst gearbeitet, vielleicht wollte sie ihrem damaligen Mann, einem PFLP-Funktionär, einen Gefallen tun, vielleicht lag sie zum Zeitpunkt der Entführung aber auch mit einem erst jüngst geborenen Kind im Wochenbett? Die Fragen werden in dem Prozeß nicht beantwortet werden, und das Motiv für die Ansari-Aussage ist so durchsichtig, daß diese Antwort nicht befriedigen kann. Warum dann überhaupt der Prozeß? Die Familie des damals getöteten Piloten wartet auf Gerechtigkeit, und auch die Angst der Geiseln ist ungesühnt – das ist nicht falsch, aber noch nicht einmal die halbe Wahrheit.
Die Aktionen der RAF im Herbst 1977 wurden von der damaligen staatlichen Exekutive als die größte Herausforderung in der kurzen Geschichte der BRD begriffen. Zwar weiß man in der Rückschau längst, daß die damals beschworenen Gefahren für die Republik maßlos übertrieben und die RAF weit davon entfernt war, in Deutschland einen erfolgreichen Guerillakrieg zu führen, aber dennoch – in der Geschichte der Auseinandersetzung zwischen staatlichem Repressionsapparat und den Desperados der RAF duldet der Apparat keine weißen Flecken. Der Sieg muß lückenlos sein, auch wenn die Lückenfüller womöglich die Falschen sind. Jürgen Gottschlich
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