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Das Montagsinterview"Ich habe die taz abbestellt und einen bösen Brief geschrieben"

Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka ist erst spät in die CDU eingetreten. Während der Wende engagierte sie sich im Neuen Forum, Parteien waren ihr etwas Fremdes. Das hat sich geändert. Manche sehen in ihr schon Brandenburgs neue CDU-Spitzenkandidatin. Ihr Motto hat sie sich bewahrt: Wer angepasst ist, kann keine Zivilcourage zeigen. INTERVIEW: UWE RADA

Johanna Wanka ist Kulturministerin in Brandenburg. Und bald auch CDU-Spitzenkandidatin? Bild: Gordon Welters
Uwe Rada
Interview von Uwe Rada

taz: Frau Wanka, wann haben Sie sich zuletzt mit ihrem Kollegen Kultursenator aus Berlin getroffen?

Johanna Wanka: Oh, das ist schon eine Weile her.

Worüber haben Sie da gesprochen?

Die Gespräche finden immer mit Staatssekretär André Schmitz statt. Dabei geht es vor allem um Projekte, die langfristig abgestimmt werden. Zum Beispiel das Kulturlandjahr 2009, wo es aus Anlass der friedlichen Revolution im Herbst 1989 um Demokratie und Demokratiebewegungen gehen soll. Es sind immer Kulturthemen, die Berlin und Brandenburg gleichermaßen betreffen.

Wie ist die Ansprache auf der Berliner Seite? Etwas herablassend, wie es einer Großstadt gebührt, die auf ihr Umland blickt - oder verhandeln Sie auf Augenhöhe?

Die klugen Leute in Berlin und Brandenburg wissen, dass das eine Kulturregion ist. Deshalb müssen die Dinge nicht in Konkurrenz, sondern gemeinsam angegangen werden.

Das diesjährige Thema von Kulturland Brandenburg ist Provinz und Metropole. Das hört sich eindeutig an: Brandenburg ist die Provinz, Berlin die Metropole. Ganz nach dem Motto von Thilo Sarrazin, der gesagt hat, Länderfusion sei Berlin mit angeschlossener Landschaftspflege.

Ich fand die Bemerkung von Sarrazin amüsant, aber nicht zutreffend. Natürlich haben wir über den Titel des Kulturlandjahres in Brandenburg gerungen. Es gab eine große Sorge vor dem Begriff Provinz. Wir haben uns aber darauf verständigt. Zum einen, weil das Thema durchaus etwas provokant sein sollte, und zweitens, weil es nicht nur das Verhältnis von Berlin zu Brandenburg charakterisiert, sondern zum Beispiel auch von Potsdam zur Uckermark.

Hat die Provinz Brandenburg der Metropole Berlin auch etwas voraus?

Natürlich. Die Natur, die Weitläufigkeit der Räume. Aber auch die Reaktion auf die demografische Entwicklung oder den Stadtumbau. Da tauchten ja viele Probleme früher auf, die Berlin oder die alten Bundesländer erst später erreicht haben. Da haben wir bereits vielversprechende Lösungsansätze entwickelt.

Die Brandenburger Bedenken gegen eine Länderfusion beziehen sich meist auf die Verschuldung Berlins.

Berlin hatte lange Zeit einen Sonderstatus. Das betraf sowohl den Westteil der Stadt als auch Ostberlin. Da gab es viele Privilegien. Vielleicht hat man deshalb auch manche Probleme nicht frühzeitig sehen wollen, zum Beispiel die Finanzsituation. Brandenburg war da immer ein Stück weiter. Weil wir nie diesen Sonderstatus hatten, haben wir uns - mit dem nötigen Pragmatismus - den Problemen früher gestellt. Wir hatten nie die Illusion, dass diese jemand anderes für uns löst, sondern wussten, dass wir selbst tätig werden müssen.

Wird das Fremdeln zwischen Berlin und Brandenburg größer oder wird es geringer?

Nach einer ersten Euphorie erlebten wir die gescheiterte Länderfusion. Nun mussten beide Länder nach vernünftigen Formen der Zusammenarbeit suchen. Nun sind wir an einen Punkt gekommen, wo wir vieles von dem erreicht haben, was getan werden kann.

Aber das ist nicht alles, wollen Sie sagen. Sie selbst sind ja nach wie vor eine Verfechterin der Länderfusion.

Das Ziel einer Länderfusion darf man nicht aufgeben. Die Regionen, die in Europa erfolgreich sind, sind Metropolregionen. Brandenburg und Berlin haben mit den Staatsverträgen und der gemeinsamen Landesplanung einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan. Aber das eigentliche Ziel muss die Fusion bleiben.

Die Menschen haben die Fusion zum Teil vorweggenommen. Noch nie sind so viele Brandenburger nach Berlin und so viele Berliner nach Brandenburg gezogen. Hat sich da auch eine gemeinsame regionale Identität entwickelt?

Die Frage ist, ob es die überall geben muss. In der Prignitz oder im Elbe-Elster-Kreis ist Berlin nach wie vor weit weg. Das wird auch noch lange so bleiben. Im Berliner Umland gibt es eine gemeinsame regionale Identität schon.

Sie selbst sind in Sachsen geboren und waren lange Zeit Rektorin der Fachhochschule Merseburg in Sachsen-Anhalt. Im Oktober 2000 sind Sie als Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur nach Brandenburg gekommen. Seitdem leben Sie in Potsdam. Wie hat sich die preußische Garnisons- und Residenzstadt angefühlt?

Eigentlich hatte sich in unserer Familienplanung der Wunsch durchgesetzt, unseren Hauptwohnsitz in Leipzig zu nehmen. Das wäre sowohl für mich in Merseburg und auch für meinen Mann in Chemnitz praktikabel gewesen. Das Angebot aus Potsdam kam für mich ganz überraschend. Dann aber haben wir sehr schnell beschlossen, dass Potsdam unsere endgültige Heimat wird - egal, was in der Politik passiert. Potsdam ist als Stadt sehr attraktiv. Aber auch die unmittelbare Nähe zu Berlin ist vorteilhaft.

Hat Potsdam nicht auch ambivalent auf Sie gewirkt? Auf der einen Seite steht die Stadt wirtschaftlich gut da. Auf der anderen war da lange diese Unzufriedenheit.

So habe ich Potsdam nicht wahrgenommen. Unzufriedenheit gab es überall im Osten. Ich für mich kann da nur sagen: Für mich war die Wende ein Glücksfall. Ich bin immer noch richtig glücklich darüber.

Sie haben in Merseburg das Neue Forum mitbegründet. Auch taz-Abonnentin waren Sie.

Die habe ich abbestellt und einen bitterbösen Brief geschrieben.

Damit sind Sie eine nicht untypische taz-Leserin. Womit haben wir Sie denn so geärgert?

Mit der aus meiner Sicht unfairen Berichterstattung über die Wahl in Sachsen-Anhalt 1998. Ich war damals im Schattenkabinett des CDU-Spitzenkandidaten Bergner. Und die taz hatte sich eindeutig auf die Seite der Tolerierung der SPD durch die PDS geschlagen. Das fand ich damals und finde es auch heute noch unerträglich.

Dann sind Sie für die CDU Ministerin in Brandenburg geworden?

Ist CDU-Mitgliedschaft bei Ihnen in der Redaktion immer noch ein Thema?

Es gibt ja viele Motive, der CDU beizutreten. Christliche Motive, konservative Motive. Manche teilen unsere Leser, manche nicht.

Wir hatten zu Zeiten der Wende 17 Prozent für das Neue Forum in Merseburg. Für mich war klar, dass das kommunale Engagement eine Chance für die notwendigen Veränderungen ist. Da konnte man etwas bewegen, auch weil es noch keine Platzhirsche der großen Parteien gab. Was für mich damals nicht infrage kam, war, in eine Partei zu gehen. Da hatte ich viel zu viel Sorge, meine neue Unabhängigkeit zu verlieren.

Zwölf Jahre später haben Sie es doch getan.

Bei mir ist die Erkenntnis gereift, dass wir ein Land sind, das über Parteien organisiert ist. Und ich habe gelernt, dass man in einer großen Partei seine innere Unabhängigkeit nicht einbüßen muss. Im Übrigen bin ich nicht in die CDU eingetreten, weil ich Ministerin wurde. Der Eintritt war bereits zuvor in Sachsen-Anhalt besprochen worden.

Haben Sie diesen Entschluss in den letzten Monaten und Jahren bereut? Immerhin ist die Brandenburger CDU mitunter mehr Haifischbecken als eine Partei der demokratischen Werte.

Jemand, der sich die Entscheidung für eine Partei so schwer gemacht hat, hat den Vorteil, dass er nicht so schnell aufgibt. Grade die innerparteilichen Schwierigkeiten, die die CDU in Brandenburg hat, sind für mich ein Grund, mich noch stärker dafür zu engagieren, dass wir als gestaltende Kraft positiv wahrgenommen werden.

Mit wem wird die Brandenburger CDU zur Landtagswahl 2009 als Spitzenkandidaten antreten? Mit Johanna Wanka?

Über die Spitzenkandidatur entscheidet die Partei mit ihrem Vorsitzenden Ulrich Junghanns.

Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust hat Sie gefragt, ob Sie in einer schwarz-grünen Koalition Wissenschaftssenatorin werden wollen. Sie haben abgesagt. Warum?

Diese Anfrage hat mich total überrascht und sehr gefreut. Auch weil ich die erste Ostdeutsche in einem westdeutschen Kabinett gewesen wäre. Ich habe mich aber entschieden, in Brandenburg zu bleiben.

Auch im Hinblick auf die Gefahr, dass es 2009 zu Rot-Rot kommt. Was würden Sie dann machen?

Weiter für meine politischen Überzeugungen kämpfen.

Sie selbst haben in Halbe und auch an anderer Stelle persönlich gegen NPD-Aufmärsche demonstriert. Nun kandidiert die NPD bei den brandenburgischen Kommunalwahlen im September und wohl auch bei der Landtagswahl 2009. Gibt es ein Patentrezept für den Umgang mit der NPD?

Es gibt meines Erachtens keinen Grund, von der Strategie abzuweichen, die NPD nicht aufzuwerten, indem man sie ständig in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Zudem besteht dabei die Gefahr, dass man sie in eine Märtyrerrolle drängt. Das würde ihnen wohl eher zusätzliche Wählerstimmen bringen. Nennen wir es so: Wir müssen sie vernünftig ignorieren.

In Sachsen hat die NPD in vielen Regionen fast schon den Status einer Volkspartei. Was hat Brandenburg in der Vergangenheit besser gemacht?

Wir haben in Brandenburg viel Kraft investiert in Aktionen gegen rechtsextremes Gedankengut. Vor Ort, in den Schulen, in der politischen Bildung. Und wir haben mit Jörg Schönbohm einen sehr konsequenten Innenminister.

Dennoch gibt es immer wieder rechtsextreme Vorfälle wie jüngst in Templin, die von den politisch Verantwortlichen kleingeredet werden.

Kleinreden kann nicht funktionieren. Man muss das Thema offen angehen und deutlich machen, dass man ihm auch gewachsen ist. Nur so kann man auch, wie zum Beispiel in Lübben, die positiven Kräfte stärken. Verschweigen erzeugt den gegenteiligen Effekt.

Welche Rolle spielt die Kultur bei diesem Aufbau von Zivilgesellschaft?

Eine ganz große. Zivilcourage zu zeigen erfordert die Fähigkeit, selbstständig zu denken und mal dagegenzuhalten, vor allem dann, wenn es um populistische Themen und Haltungen geht und scheinbar einfache Lösungen, die aber illusorisch und schlimmstenfalls menschenverachtend sind. Für dieses selbstständige Denken spielt Kultur, spielen Theaterstücke, Literatur, Musik eine große Rolle. Das ist für viele, auch Jüngere, vielleicht prägender als bloße Ansprachen. Kultur zeigt auch Fremdes, andere Lebensentwürfe, regt an.

Hoffen Sie da auch auf ein Stück neue Bürgerlichkeit? Als Korrektiv gegen die Proletarisierung zu DDR-Zeiten, die ja zuletzt von Jörg Schönbohm beklagt wurde?

Das sind nicht meine Begriffe. Freiheit des Denkens ist für jedes Milieu wichtig. Ob die nun bürgerlich sind oder in einem ländlichen Umfeld leben.

Brandenburg hat da viele Jahre verloren. Unter Ministerpräsident Stolpe wurde gerade nicht das Eigenengagement gefördert, stattdessen setzte die Politik weiter auf staatliche Fürsorge. Würde eine rot-rote Koalition eine solche Politik der "kleinen DDR" wiederaufleben lassen?

Ich befürchte das. Da hätte ich ganz große Sorgen. Den Menschen dieses Wendeverlieren einzureden, wie es die Linke macht, ist verantwortungslos. In Sachsen hat man das anders gemacht. Biedenkopf hat den Menschen Selbstbewusstsein vermittelt. Das ist der richtige Weg.

Welche Kultureinrichtung würden Sie dem Berliner Kultursenator zeigen, wenn er einmal nach Brandenburg käme?

Ich hätte die Qual der Wahl.

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