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Das Matriarchat als Peep-Show?

■ betr.: „Auf ins Matriarchat“, taz-Frauenreise Nr. 2

Seit dem 30. November macht die taz Reklame für eine sogenannte taz-Frauenreise nach Mexiko mit dem Aufreißer „Auf ins Matriarchat!“ Sie fordert Frauen aus Deutschland dazu auf, andere Frauen, nämlich die in Juchitán, besichtigen zu fahren. Wie im Zoo. Oder haben die Frauen aus Juchitán, die für ihre weitherzige Gastfreundschaft bekannt sind, etwa dazu eingeladen, sie zu besuchen? Nein!

Seit Jahren schreiben und reden wir gegen die Zerstörung an, die der Konsumismus mit sich bringt – nicht nur der Umwelt, sondern offensichtlich auch der Hirne und Herzen. Gefühle wie Anstand und Achtung vor anderen Menschen, vor allem Frauen, erst recht aus der Dritten Welt, werden an der Kasse abgegeben. Da werden Frauen nicht wie Menschen, sondern wie Objekte touristisch-voyeuristischer Begierde behandelt. Das ist reinster sexistischer Rassismus.

Glaubt Ihr, Einblicke in Gesellschaftsstrukturen bekommen zu können, ohne jemanden zu kennen, noch dazu an einem halben Tag? Aber da gibt es ja im Rowohlt-Verlag unser Buch „Juchitán, Stadt der Frauen“, hrsg. von V. Bennholdt-Thomsen, auf das die Männer von Connex Travel (Löhne) bei Anruf gerne hingewiesen haben. Daher hätten sie den „Geheimtip“. Gelesen aber haben sie es mit Sicherheit nicht, auch nicht das letzte Kapitel, „Plädoyer für ein Ende der Männerwirtschaft“.

Aber so sensationslüstern und unseriös, wie für die Reise geworben wird, geht es auch weiter. Die OrganisatorInnen scheinen sich noch nicht einmal in Mexiko auszukennen, zumindest im Süden des Landes nicht. Zirka zehn Stunden in Flugzeug, Bus und Taxi wollen sie den teuer blechenden TouristInnen antun, um sich in Juchitán „während des Stadtrundgangs... aus erster Hand über die Gewohnheiten“ (eine Stunde à 100 DM?), „Gebräuche“ (noch eine Stunde) „und Einstellungen“ (eine Stunde plus vorweg eine Stunde Schnellkurs in zapotekischer Sprache) „dieser Frauen informieren“ zu können. Peep!, eilig wird der Ort wieder verlassen – Ansteckungsgefahr hinsichtlich Dengue (durch Moskitos), Hepatitis A (durch Händeschütteln), Amöbenruhr und Cholera (durch Essen) dank des Abstandhaltens gering –, um wieder dieselbe Tortur der Rückreise in das Zentrum/den Norden Mexikos auf sich zu nehmen. Und das alles nur, damit mit dem reißerischen Aufmacher für diese „Frauenreise“ geworben werden kann. Nicht nur, daß mit der Ware „Tourismus“ eine heile Welt gekauft werden soll nach dem Motto „Sie sehnen sich nach dem, was sie zerstört haben“ (Maria Mies, in: Ökofeminismus, zusammen mit Vandana Shiva, Zürich 1995), sondern jetzt werden noch zusätzlich Gefühle der Frauensolidarität mobilisiert, und feministische Gesellschaftskritik wird dazu benutzt, diese zerstörerische, konsumistische Show weiter anzuheizen. Das ist der Gipfel der Perversion.

Basta ya!

Wir fordern die taz auf, diese Anzeigenkampagne, bei der noch dazu das Konterfei zweier Freundinnen von uns feilgeboten wird, sofort zu beenden. Und wir bieten an, in einem Artikel die hier nur angedeutete Kritik am touristischen Konsumismus breiter auszuführen. Veronika Bennholdt-Thomsen,

Institut für Theorie und Praxis

der Subsistenz e.V., Bielefeld

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