■ Das Loch mit dem Brötchen: We want Bagels!
Berlin (taz) – Wer schon mal in New York war, der weiß, was ein Bagel ist: eine Art Brötchen, rund, glatt und fest, mit einem Loch in der Mitte. Es kam mit den jüdischen Immigranten aus Rußland in die USA und hat sich seit den 50er Jahren von der Lower East-Side New Yorks über die gesamten Vereinigten Staaten verbreitet.
In Form und Größe ähnelt der Bagel dem zuckrigen Doughnut. Allerdings ist er traditionellerweise nicht süß, sondern hat Sesam obendrauf, auch Mohn, Zwiebeln, Knoblauch oder einfach Salz. Heutzutage gibt es aber auch Blaubeer- und Rosinenbagels. Sogar Fast-food-Ketten führen in den USA heutzutage Bagels – bleiche, schlappe Imitate.
Probleme mit Imitaten, die die typische dichte Konsistenz und den zähen Biß vermissen lassen, hat auch die wachsende Gemeinde junger jüdischer Berliner, die aus den USA, Polen oder Rußland stammen. Bagels, die auch rund schmecken, sind bislang in Berlin nicht zu finden, was wohl auch an der nicht einfachen Herstellungsweise liegt – der Teig wird erst gekocht und dann gebacken.
Ich selbst mußte auf der Suche nach akzeptablen Bagels feststellen, daß sogar das koschere „Beth Café“ nahe der Synagoge im Scheunenviertel in Berlins Mitte solche anbietet, die man nur als aufgeplustert und kuchenartig bezeichnen kann. Die Bagels aus einem kleinen Laden in Kreuzberg sind ebenfalls ziemlich grausam.
Auch die unsichere Rechtssituation schlug auf die ärmliche Berliner Bagelproduktion durch. Bis vor kurzem nämlich sah sich jeder, der einen Bagel-Shop eröffnen wollte, damit konfrontiert, daß sich der Berliner Geschäftsmann Klaus Spießberger den Bagel beim Deutschen Patentamt in München hatte schützen lassen – als Warenzeichen. Spießberger arbeitet für das amerikanische „Lucky Strike“- Restaurant. Eine absurde Angelegenheit. Da könnte man genauso versuchen, in Berlin das Patent auf den Dönerkebab durchzusetzen! Ende 1994 wurde Spießbergers Warenzeichen dann auch vom Patentamt wieder einkassiert. Erkenntnis: Der Bagel ist kein spezielles Einzelprodukt, sondern eine Gattung – wie Hamburger oder Currywurst. Spießberger hat sich schon, so berichtete der Tagesspiegel, mit jüdischen Bagelbäckern in New York getroffen, um sich für sein zukünftiges Geschäft coachen zu lassen.
Gegen Spießbergers Patent vorgegangen war der Berliner Andreas Pfeffer, der in der Hauptstadt bereits Doughnuts herstellt und auch in die Bagelproduktion eingestiegen ist (warum er seine Doughnuts ausgerechnet „Navajo Doughnuts“ nennt, bleibt allerdings sein Geheimnis).
Erstmals trat Andreas Pfeffer mit seiner Berlin Bagel Company kürzlich bei der Freßmesse „Grüne Woche“ auf, nun verkauft er seine aus New York tiefgefroren eingeflogenen Bagels in einer Karstadt-Filiale in Steglitz. Testurteil: gut, aber auch nicht mehr. Auf der Messe wurde zum Bagel ein Flugblatt voller Falschinformationen gereicht: „Bagels stammen wahrscheinlich aus Österreich. Erstmals sollen Bagels 1683 in Wien gebacken worden sein, als Geschenk an den polnischen König Johann III., der Wien vor der drohenden Belagerung durch die Türken rettete.“ Quatsch! Die Dinger kommen aus Rußland – will man hier den Juden den Bagel absprechen und den Türken gleich noch eins mit drübergeben?
Die besten Bagels, die ich bislang in Berlin gegessen habe, kommen von Susan Reed Neumann, die aus Brattleboro im ziemlich unjüdischen US-Bundesstaat Vermont stammt. Reed Neumann erprobt die Bagelbäckerei seit etwa einem Jahr intensiv und hat bereits zwei erfolgreiche Testessen in der Bagel-Fangemeinde absolviert. Man kann ihr nur heftig wünschen, daß sie demnächst ihr eigenes Busineß startet.
PS: Zum Essen wird der Bagel waagerecht aufgeschnitten und getoastet. Dann Butter drauf oder besser Frischkäse sowie geräucherter Lachs. Garnierung: Tomaten, Zwiebeln oder Kapern. Aber um den Aufstrich kann's eigentlich erst später gehen – jetzt müssen erst mal vernünftige Bagels her! Ed Ward
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