Das Lebensgefühl der Jungen Union : Die Birne fällt nicht weit vom Stamm
Plötzlich strahlt der junge Mann im feinen Zwirn übers ganze Gesicht. Helmut Kohl steht vor der Tür, die Junge Union (JU) hat ihn auf ihren Deutschlandtag nach Oldenburg eingeladen. „Ich erwarte mir von ihm ein gewichtiges Wort zur Einheit der Union“, sagt der stellvertretende Bremer JU-Landesvorsitzende Stefan Ugurcu mit verklärtem Blick. „Und das er sich voll und ganz hinter die Parteivorsitzende Angela Merkel stellt.“
So wie Ugurcu reagieren viele der rund 300 Delegierten auf dem Bundeskongress des Parteinachwuchses. „Helmut Kohl berührt die Junge Union im Herzen“, sagt Hessens JU-Vorsitzender Peter Tauber mit pathetischen Worten. Kohl repräsentiere noch immer das Lebensgefühl der JU. Er sei „lebendig und“ – hoppla, festhalten! – „attraktiv“, findet ein junger Bundestagsabgeordneter der CSU. Und deshalb sei der Altpolitiker bei der Jungen Union auch „genau richtig aufgehoben“. Schließlich hätten die Menschen hier ihre politische Sozialisation allesamt unter seiner Kanzlerschaft erfahren, Politik stets mit ihm identifiziert. Klar, das vermittelt Nähe und Geborgenheit. Auch jetzt noch. Vergessen all die Spendenskandale aus der Vergangenheit, vergessen die verlorene Wahl.
Geredet hat er dann auch noch, der heiß ersehnte Altbundeskanzler, umjubelt natürlich. Über die Geschichte der Union und die deutsche Einheit, die Vaterlandsliebe und die Pflicht zum Dienen. Aus der erhofften fulminanten Rede wurde am Ende eine Einführung in die Geschichte. Alle Fragen der Tagespolitik müssen leider draußen bleiben. Der unionsinterne Streit um die Gesundheitpolitik findet keinerlei Ewähnung, dem Streit um einen EU-Beitritt der Türkei – von Kohl stets unterstützt, von der JU strikt abgelehnt – wird ausgewichen. Auch auf den von vielen erhofften Appell an die Geschlossenheit wartete man vergebens. Frenetisch gefeiert haben sie ihn dennoch, zehn lange Minuten. Und gesungen. „Ja, wir haben ein Idol, Helmut Kohl.“ Einstimmig. mnz