■ Das Ende des Stadtschlosses: Fassade enthüllt
Die Schloßfreunde hatten an großen Worten nicht gespart. FAZ- Herausgeber Joachim Fest bemühte gar den Kampf der Systeme: Wenn der Abbruch des Schlosses das Symbol für den Sieg der Kommunisten war, so „wäre die Wiedererrichtung das Symbol ihres Scheiterns“, befand er. Gescheitert ist nach vierzehn Monaten erst einmal jene Idee, mit einer Kulisse aus Eisenrohr und Plaste das Schloß als unverzichtbar für das neue Berlin zu imaginieren. Die Beschwörungen der prominenten Fürsprecher hatten daran durchaus ihren Anteil. „Es gibt keine andere Möglichkeit, die Stadt als Stadt zu retten“, verkündete beispielsweise der Verleger Wolf Jobst Siedler. Solche markigen Worte bewirkten eher das Gegenteil. Von der anfänglichen Euphorie der Feuilletons blieb wenig über; der Alltag hat das Schloß geschleift. Hätte man die Kulisse – wie ursprünglich geplant – nach drei Monaten abgebaut, wäre ein Mythos geblieben. So aber enthüllte sich über die Monate die raumfüllende Illusion bis zur Kenntlichkeit: Die Oberfläche war bereits der Kern, der monarchistische Gestus die Stadtidee.
Für Berlin konnte es deshalb nichts besseres geben als diesen auf vierzehn Monate gestreckten Mummenschanz, diese Reagenzglasanordnung in Echtzeit. Die Initiative hat eines unfreiwillig erreicht: Die Gewißheit ist gewachsen, daß ein neues Berlin nicht mit dem Rückgriff auf entschwundene historische Formen geschaffen werden kann. Die Debatte um die Gestaltung der Spreeinsel ist deshalb trotz des abgeschlossenen städtebaulichen Wettbewerbs längst noch nicht zu Ende. Im gleichen Maße, wie die Plastikbahnen der Attrappe im Wind zerflatterten, wurde klar, daß man nicht um die vorhandenen Bauten herumkommt – weder um den Palast der Republik noch um das Staatsratsgebäude. Gerd Nowakowski
Siehe Bericht Seite 23
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