Das Ding, das kommt : Mit Hebel durch Hollywood
DAS TONBANDGERÄT auf dem VW-Beifahrersitz, fuhr der junge Patrick Roth vor fast 40 Jahren immer durch Los Angeles. Aus den tollen Erzählungen, die er darüber schrieb, liest er nun im Norden
Er dürfte die am meisten vernachlässigte Figur des Neuen Testaments sein: Joseph von Nazareth, Zimmerer, Ehemann der Maria und mithin eine Art Leihvater des – so man denn dran glaubt – Heilands der Christenheit, Jesus von Nazareth. Diesem Joseph also widmete der Schriftsteller Patrick Roth im März dieses Jahres den Roman „Sunrise“ (Wallstein Verlag, Göttingen, 510 Seiten, 24,90 Euro), der einiges Aufsehen erregte. Für Roth bedeutete „Sunrise“ die Rückkehr zu einem Themenfeld, das er bereits zuvor beackert hatte, mit der „Christus-Trilogie“ aus den frühen 90er-Jahren: biblische Stoffe, als Quasi-Krimis in heutiger Alltagssprache erzählt. Klingt so nötig wie ein Kropf, ist es aber nicht.
Roth, geboren 1953 in Freiburg, lebte lange in den USA, zuletzt im kalifornischen Santa Monica, und kehrte vor kurzem erst nach Deutschland zurück. Nach Los Angeles, genauer: nach Hollywood war er 1975 als Stipendiat gegangen, mit dem Kino hatte er sich schon nach dem Abitur befasst, an der Pariser Cinémathèque. Roth war Schauspieler, Drehbuchschreiber und Regisseur.
Und er hat viel geschrieben: Hörspiele, Theaterstücke und Prosa. Neben dem immer wieder aufscheinenden Interesse an biblischen Themen zieht sich ein weiterer – angesichts dieser Biografie nicht überraschender – Strang durch sein Werk: Immer wieder spielen seine Texte, gerade auch die kleinen Formen, in der Filmbranche. Mehr noch aber wendet der Autor selbst quasi-filmische Techniken an: Er blendet über, er verwischt, er zoomt heran.
„Stories eines Filmbesessenen“ hat Roth – oder aber, wiederum, der Wallstein Verlag – den ebenfalls in diesem Jahr erschienenen Band „Die amerikanische Fahrt“ untertitelt (298 Seiten, 19,90 Euro). Darin lässt er den Sunset Boulevard in der Karlsruher Fußgängerzone enden und den Ich-Erzähler an den Schreibtischen von Honoré de Balzac und Johann Peter Hebel Platz nehmen. Überhaupt Hebel: Der war unter den Autoren, deren Texte der junge Roth sich selbst aufs Tonband sprach, um sie dann zu hören, während er durch L.A. cruiste – denn der 500-Dollar-VW hatte kein Radio. Auch so eine Szene, die eigentlich auf die Leinwand gehört. ALDI
■ Patrick Roth liest aus „Die amerikanische Fahrt“: Donnerstag, 17. Oktober, 19.30 Uhr, Hamburg, Rittelmeyer-Saal Tags darauf liest er in Hannover aus „Sunrise“: 18. Oktober, 19.30 Uhr, Lehrinstitut für Psychoanalyse & Psychotherapie