: Das August-Hinrichs-Syndrom
■ Ein Heimatforscher, die Stadt Oldenburg und ihr Nazi-Dichter / Interview mit Klaus Dede
taz: Wie sind Sie auf August Hinrichs gestoßen?
Dede: Ich betreibe in Oldenburg schon lange Heimatkunde. Dazu gehörte auch immer, daß ich berühmte Persönlichkeiten in kurzen Biographien vorstellte. So stieß ich irgendwann zwangsläufig auf den Oldenburger Schriftsteller August Hinrichs. Da ich faul bin, ging ich in die Landesbibliothek und stellte zu meiner Überraschung fest, daß dort im Bestand eine Lücke zwischen den Jahren 1929 und 1945 klafft. Dann erinnnerte ich mich, daß unsere Lehrerin in der Nazi-Zeit von einem Stück schwärmte, in dem richtige Pferde auf der Bühne zu sehen waren. Das Stück war von August Hinrichs. Da hatte ich den Haken. Damit habe ich mich dann langsam an die Biographie August Hinrichs herangetastet und habe dann fünf, sechs Seiten über ihn publiziert. Die waren alles in allem sehr wohlwollend und positiv, haben aber bei der Veröffentlichung einen riesen Skandal entfacht. Ich hatte nämlich auch aufgeschrieben, welche Nazi-Posten Hinrichs zwischen 1932 und 1945 bekleidet hatte. Und so etwas gehört sich nicht. Das ist jetzt zehn Jahre her, und in dieser Zeit habe ich weiter Stück für Stück Einzelheiten aus dem Leben Hinrichs zusammengetragen. So ist schließlich diese Broschüre entstanden: Hinrichs, die Negativfigur Oldenburgs, der Repräsentant des völkischen Bürgertums in dieser Stadt.
Wen traf denn die Veröffentlichung über Hinrichs?
Im Grunde traf sie das gesamte Oldenburger Establishment. Meiner Meinung nach trägt das Bürgertum eine Kollektivschuld am Nazismus, und August Hinrichs ist die Symbolfigur dieses Bürgertums. Hinrichs war Parteigenosse, Landesleiter der Reichsschrifttumskammer, hat sein gesamtes Werk zwischen 1932 und 1945 in den Dinst der Nazis gestellt. Wenn der jetzt von der Stadt weiß gewaschen ist, wer bitte soll dann jemals Nazi gewesen seine? Mit August Hinrichs hat sich das Oldenburger Bürgertum selbst entlastet. Jetzt sage ich: Hinrichs war ein Nazi, und natürlich fühlen sich alle anderen getroffen.
Wer gehört denn dazu?
Es gibt eine sture Fraktion, und dazu gehören praktisch alle. Das reicht von Oberbürgermeister Mende von der SPD bis ganz rechts. Ich habe den Eindruck, daß ich da ziemlich alleine stehe.
Klaus Dede gegen den Rest der Welt?
Gegen die Oldenburger, ja, und ich werde sogar gezielt von den lokalen Zeitungen boykottiert, zum Beispiel von der Oldenburger Nordwest-Zeitung. Außerhalb Oldenburgs sieht die Sache aber ganz anders aus.
Warum haben Sie denn nach dem Stich ins Oldenburger Wespennest weitergebohrt und sich August Hinrichs sozusagen zum Leib- und Magenthema auserkoren?
Das lag eigentlich sehr nahe, denn man kann nicht nach dem Motto arbeiten: –Leute, eßt Scheiße, eine Millionen Fliegen können sich nicht irren'. Hinrichs habe ich danach immer so nebenher verfolgt, während sich mein Arbeitsschwerpunkt auf andere Themen verschob.
Sind sie ein Berufsquerulant?
So hab' ich mich tatsächlich gefühlt. Mittlerweile glaube ich, daß ich immer der erste bin, der in Oldenburg sagt, was anderswo schon lange bekannt ist.
So erwirbt man keine Sympathien.
Das ist wohl richtig. Es gibt diese übliche Methode, Mißfallen auszudrücken, indem ich geschnitten werde.
Womit wollen Sie sich als nächstes in Oldenburg unbeliebt machen?
Ich will mich überhaupt nicht unbeliebt machen. Ich arbeite gerade an einer Biographie meines Vaters, der Pfarrer der Bekennenden Kirche war.
Ihre August-Hinrichs-Broschüre ist im Eigenverlag erschienen. Daß heißt immer: Es hat sich kein Verlag gefunden, der das Buch herausbringen wollte. Frustriert Sie so etwas nicht?
Das ist sicher richtig. Aber man steht in so einem Augenblick vor der Frage: Verschwindet das Manuskript im Papierkorb oder versucht man im Eigenverlag, den finanzielllen Schaden in Grenzen zu halten. Und ich habe eben beschlossen, das Buch allein herauszubringen.
Das Hinrichs-Buch ist fertig, das Kapitel Stadtgeschichte ist noch offen. August Hinrichs ist immer noch Ehrenbürger von Oldenburg. Wird er das bleiben?
Ich hoffe nicht. Die beiden ehemaligen DKP-Stadträte Flessner und Müller haben einen Antrag in den Stadtrat eingebracht, die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Dann müßte sich die Stadt in der Öffentlichkeit dazu bekennen, daß sie einen alten Nazi hofiert. Int.: mad
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