Das Attentat von Madrid Ein Jahr danach : Terror in Europa: Wie groß ist die Gefahr ?
Einhundertzweiundneunzig Tote, zweitausend Verletzte, Sachschäden in Milliardenhöhe und eine traumatisierte spanische Nation: Ein Jahr nach dem Terroranschlag auf Pendlerzüge in Madrid ist die Gefahr eines neuen Anschlags in Europa nicht kleiner geworden. Es geht nicht um Panikmache: Doch religiös motivierte Gewalttäter, darin sind sich europäische Sicherheitsexperten einig, könnten auch 2005 ein ähnlich mörderisches Attentat planen. Wer sind die potenziellen Terroristen? Wo verstecken sie sich? Wie begegnet Europa ihren Mordplänen? Das taz-Dossier zum 11. März versucht Antworten zu geben.
9/11 in New York und der 11. März in Madrid hängen miteinander zusammen. Die Täter kannten sich – und die Madrider Spuren führen auch nach Deutschland. Ein spanische Al-Qaida-Führer kannte sowohl die Attentäter vom 11. März als auch die Kontaktperson für den Todesflieger Mohammed Atta von 9/11.
Doch bis heute fehlt es den Fahndern am Durchblick, was die Pläne mutmaßlicher Attentäter angeht. Der Kölner Dom gilt wegen seiner Symbolkraft als potenzielles Anschlagsziel ebenso wie das Brandenburger Tor. Wie viele so genannte „gewaltbereite Islamisten“ gibt es? Eine „dreistellige Zahl im unteren Bereich“ nennen die deutschen Behörden. 200 sollen es in Großbritannien sein, 150 angeblich in den Niederlanden. Zur intensiven Überwachung fehlt es an Personal.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten rühmen sich, der Terrorgefahr durch engere Zusammenarbeit und neue Gesetze zu begegnen. Schaut man genauer hin, ist das Ergebnis deprimierend. Monatelang blieb der Chefposten der EU-Polizeibehörde „Europol“ unbesetzt, weil sich die Länder nicht auf die Besetzung einigen konnten. In Deutschland vernetzt ein „Analysezentrum“ die Ermittlungen. Doch Insider berichten, dass die Landeskriminalämter dort „regelrecht dazu überredet“ werden müssen, ihre Erkenntnisse weiterzugeben. Und haben die neuen Anti-Terror-Gesetze die Bürgerrechte eingeschränkt?
Eine vollständige Bilanz von Madrid lässt sich nicht ziehen – zu dürftig sind die Informationen. Bei einem Ausblick auf künftige Taten bleibt vieles Spekulation. Nur eines scheint festzustehen: Madrid war nicht der letzte Terroranschlag in Europa. KLH