Daniela Katzenberger: Die Anschlussfigur
Die Marke Daniela Katzenberger hat ihr Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Die Studie „Hohle Idole“ geht dem Phänomen „Katze“ auf den Grund.
Ob man in ihr einen aufgehenden Stern sieht oder das Verglühen der Kultur: In einem muss man Daniela Katzenberger Recht geben. „Man kann ja sagen, was man will - aber ich habe die letzten drei Jahre nicht Däumchen gedreht“, stellt sie im Gespräch mit der taz fest.
Ihr Leben im Rampenlicht ist als filmisches Extrakt regelmäßig bei Vox in der Primetime zu sehen, ihr autobiographisches Buch („Sei schlau, stell dich dumm“) führte wochenlang die Bestsellerlisten an, das Café Katzenberger auf Mallorca erlöst die Mietkosten allein durch den Verkauf von Anstecknadeln. Und in unmittelbarer Nähe zum Café eröffnete im Sommer noch eine Katzenberger-Boutique.
Selbst wer eine eventuelle inhaltliche Leere ihrer Fernsehsendung „Natürlich blond“ bei Vox beklagt, wird anerkennen müssen, dass der Erfolg harte Arbeit ist. Und genau die ist dann unter anderem auch wieder Inhalt der Sendung. Daniela Katzenberger macht Werbung für ein Möbelhaus, vermarktet verschiedenste Kollektionen - von Schuhen über Kleidung bis zu Fingernagel- und Badezimmer-Accessoires.
Selbst einen Katzenberger-Klodeckel gibt es. Und wenn Daniela Katzenberger bald auf die Kinoleinwand springt, dann macht sie das nicht mir irgendwem, sondern mit Oliver Berben - Produzent von Filmen wie „Der Gott des Gemetzels“ und „Die Päpstin“.
Fast eineinhalb Millionen Menschen verfolgen bei Facebook, was „die Katze“ zu sagen hat. Tausende Schaulustige drängeln sich auf Autogrammstunden - zum Beispiel in einem Mannheimer Bekleidungshaus: Während sich in einer Backstage-Bar in der oberen Etage so etwas wie der Mannheimer Jet-Set traf - mit schrillen Brillen und zweifarbigen Frisuren -, schauten unten junge blonde Mädchen im Katzenberger-Look mit großen Augen auf ihr Idol, enttäuscht, weil Umarmungen aus Zeitgründen nicht drin waren.
Es lief glimpflich ab, obwohl sich die Retter vom Roten Kreuz auf reihenweise Schnappatmung vorbereitet hatten. Immer mittendrin und meist in Sichtachse des Publikums: das Kamerateam, das das Leben der Katzenberger begleitet.
Auf den ersten Blick dilettiert sich Daniela Katzenberger mit mehr Selbstbewusstsein als Talent durch Leben und Medienwelt, macht den Führerschein, lernt an der Stange zu tanzen, präsentiert ihre Kollektionen. In Interviewsequenzen reflektiert sie das Gezeigte.
Auf den zweiten Blick erkennt man eine akribisch produzierte Fernsehsendung mit einer Protagonistin, hinter deren blonder Fassade sich eine starke Persönlichkeit verbirgt, die - allen Untiefen des Reality-Genres zum Trotz - ein Hingucker ist, weil sie ehrgeizig ist, mutig und hier und da unangepasst. Das kommt an.
Alle Stangen betanzt
Doch irgendwann sind alle Stangen dieser Welt betanzt, alle Länder bereist, alle Schuhkollektionen präsentiert. Und dann? Dann geht es wieder von vorne los. Mit der Innenschau lässt sich die Sendung beliebig weitererzählen. Die Entwicklung vom scheuen Mädchen mit den Fernsehträumen hin zur souveränen Darstellerin ihrer selbst ist unverkennbar, wenn man die Aufnahmen über die Jahre verfolgt.
„Ich bin in vielen Dingen sicherer geworden“, sagt Daniela Katzenberger. Das blonde Naivchen mit der großen Portion Eigensinn kann sie inzwischen nicht mehr geben. „Meine Entwicklung ließ sich ja Schritt für Schritt mitverfolgen. Darum erwartet auch keiner mehr die Daniela Katzenberger von vor drei Jahren von mir“. Sie ist überzeugt, dass ein Versuch, sich ihr altes Ego zu bewahren, nicht funktioniert hätte.
„Ihre Geschichte ist eine Aschenputtelgeschichte. Sie handelt vom Aufstieg im System der Aufmerksamkeitsökonomie, in das sie nicht durch Verdienste und Können eingestiegen ist“, schreibt Publizist Bernd Gäbler in der Studie „Hohle Idole“, die die Otto Brenner Stiftung kürzlich herausgegeben hat.
„Figur und Marke konnten sich entwickeln - im Gewand einer biographischen Erzählung“, so Gäbler. Er nennt Daniele Katzenberger eine „Anschlussfigur“, die mit den Augen des Zuschauers hineinschaue in die Welt der Medien und der Selbstvermarktung. „Ganz offensiv verfügt sie über keinerlei Fähigkeiten oder erarbeitete Qualifikationen“, bescheinigt ihr die Studie.
Der Katzenmacher
Bernd Schumacher dürfte das anders sehen. Er ist der Produzent, der das Leben der heute 26-jährigen Ludwigshafenerin fernsehgerecht aufbereitet, mit seiner Firma 99 pro media das Märchen erzählt. Er baut die Kulissen und kümmert sich um die Deals.
Er hat mit seiner „Katze“ ein kleines Vermarktungs-Imperium errichtet, das von der Lebensgeschichte der Protagonisten angetrieben wird. „Wir sind spezialisiert darauf, das echte Leben zu erzählen“, stellt er klar. „Die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, nehmen wir staunend zu Kenntnis und gerne wahr“.
Der 51-Jährige war für ProSieben Korrespondent in Jerusalem. Mit „We are Family“ brachte er die Alltagsdoku ins Tagesprogramm. Heute produziert er außerdem Vox-Sendungen wie „Auf und davon“ und „Goodbye Deutschland“. Mit Jill Kussmacher lässt er für den Frauensender Sixx eine weitere Blondine Hollywood erobern. Einmal dort, denkt Schumacher direkt weiter. Im Januar eröffnet eine Dependence seiner Firma in Los Angeles. Schon bald will er auch für das US-Fernsehen arbeiten.
Schumacher gefällt sich in der Rolle des „Katzenmachers“. Er hat Spaß daran, Fernsehen zu machen, Dinge auszuprobieren, zu beweisen dass es geht, wenn man sich nur nach vorne traut.
„Man muss in dieser Branche auch ein Homo Ludens sein“, sagt er und erzählt mit leuchtenden Augen von den Möglichkeiten der Marke Daniela Katzenberger, in der er nahezu grenzenloses Potenzial sieht, wenn man die Marke nur richtig pflegt. Er ist fasziniert vom Erfolg und seinen Plänen, die er umsetzt: ein schickes Büro in Hollywood, ein Kinofilm für die Katzenberger. Das Geld scheint da eher Mittel zum Zweck im großen Spiel.
Bernd Schumacher ragt aus der deutschen Produzenten-Riege heraus - nicht nur weil er offenbar bei Daniela Katzenberger einiges richtig macht. Schaut man genau hin, entdeckt man, dass in Katzenbergers „Natürlich blond“ mehr Arbeit steckt, als im Genre üblich. Schumacher geht seinen Job anders an, als das Gros der Fernsehproduzenten, die ohne Senderauftrag und Vorfinanzierung nur selten aus der Deckung kommen.
Um zu beweisen, dass die ur-kölsche Serie „Die Fußbroichs“ - so etwas wie die Mutter aller Reality-Serien - doch noch nicht zu Ende erzählt ist, hat er zum Beispiel nach mehr als zehn Ruhe auf eigene Faust sechs neue Folgen produziert. Ein Sender ist nicht in Sicht. Also erscheinen die neuen Episoden im Frühjahr auf DVD.
Vielleicht liegt seine Risikobereitschaft auch daran, dass Schumacher mit seiner Firma in Leipzig sitzt - abseits der Fernsehhochburgen. In einer Altbauvilla arbeiten mittlerweile 70 festangestellte Mitarbeiter. Es herrscht eine heimelige Atmosphäre. Ganz anders als in manch klinisch-sterilem Büro auf den Studiogeländen in Köln oder München.
Da purzelt es heraus, das Katzenberger-Kirchern
„Er hat ein großes Herz und einen ungeheuren Geschäftssinn“, sagt Daniela Katzenberger über ihren Produzenten. Zum ersten Mal hat sie ihn auf einem Foto gesehen. Das Bild stammte aus dem Fasching, Schumacher war als Frau verkleidet. „Ich habe gedacht: Oh je, das ist mein Chef. Der trägt ja mehr Schminke als ich“, erzählt sie und lässt ihr Katzenberger-Kichern aus sich herauspurzeln. Sehr lieb sei er und sehr intelligent. „Er wirkt aber nicht wie ein Klugscheißer. Das schätze ich sehr an ihm“.
Momentan läuft es in Sachen Reichweite bei Vox nicht ganz so. Doch offenbar ist das kein Grund zur Sorge. Vom Sender heißt es, die Quoten seien „noch nicht wieder auf dem Niveau der vergangenen Staffel, aber keineswegs schlecht“. Schumacher selbst sieht das Problem weniger in der Konkurrenz, sondern in eigenen Entwicklungen.
„Mit dem richtigen außergewöhnlichen Inhalt sind die Fans auch wieder da“, gibt er sich zuversichtlich. In allen anderen Bereichen lege „die Katze“ derzeit zu. Wenn es nach ihm geht, dann lässt sich ihr Leben noch jahrzehntelang erzählen. Es ist ja immer was los. Und wenn nicht, dann macht er was los. Nicht irgendwas. Bernd Schumacher denkt groß. „Ich habe ihr schon einen Weltraumflug angeboten“, sagt er. „Das wollte sie aber nicht“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“