DVDESK : Wenn der Witz dem Begreifen vorauseilt
„Trouble in Paradise – Ärger im Paradies“ (USA 1932; Regie: Ernst Lubitsch), ab 9,99 Euro im Handel
Wenn der Schatten eines sitzenden Paars liegend aufs Bett fällt; wenn hinter Türen zwischen Zimmern hoch verdächtig Verkehr ist; oder wenn anfangs ein Dieb, was man durchs Fenster sehr viel mehr ahnt als sieht, einen schlichten Franzosen als vermeintlicher Arzt nach einem intensiven Blick auf dessen Mandeln seiner Barschaft entledigt; wenn also dieser Dieb nach einer rasanten Kamerafahrt außen am Palazzo entlang als scheinbar ganz anderer sehnsuchtsvoll auf die Stadt blickt und man den Zusammenhang, den diese Kamerafahrt vorauseilend herstellt, erst später begreift; wenn der Film mit seinem Witz dem Begreifen ohnehin immer vorauseilt und keine der vielen Anzüglichkeiten ohne Bild- oder Wortwitz daherkommt; wenn der Dieb stiehlt wie ein Rabe und ein sagenhaft dreister und bewundernswert eleganter Hochstapler ist, der sich als Baron ausgibt, dann aber auf eine Blondine trifft, die als Diebin nicht weniger begabt und fingerflink ist und dabei enge Vertrautheit mit dem Hochadel der Welt herbeischwadroniert; wenn Dieb und Diebin einander darauf erkennen als füreinander gemachte partner in crime; wenn zwischendurch immer mal wieder ein Gondoliere am anfänglichen Schauplatz Venedig haufenweise Mülltonnen den Canal Grande entlangkarriolt; wenn im Radio ein misslungener Coup des Diebs Gaston Monescu rapportiert wird, dieser und/oder der Film durch den darauf folgenden Spot für die Parfümerie Colet & Cie aber auf sein nächstes Opfer verfällt; wenn dieses nächste Opfer nicht nur verwitwet, jung und steinreich, sondern auch bildschön und in atemberaubende Kleider gehüllt ist; wenn der Dieb die diamantenbesetzte Handtasche des Finderlohns wegen selber zurückgibt und wenn von da das eine zum anderen führt, nämlich der Bock zum Gärtner und Monescu zum Geschäftsführer der Parfümfabrik wird; wenn die schöne Madame Colet zwischen zwei Männern die Wahl hat, von denen der eine nicht nur der ausgeraubte schlichte Franzose, sondern überhaupt eine recht jämmerliche Gestalt, und der andere als steifer Major die Karikatur seiner selbst ist; wenn der Dieb und Weltmann die beiden in der Gunst von Madame sogleich aussticht, während sein scharfer Blick auf ihr Dekolleté nicht weniger als auf die Safekombination fällt; wenn dann allerdings Monescu auf seinen eigenen Liebesschwindel hereinzufallen und wenn seine Diebeskumpanin ganz zu Recht zu fürchten beginnt, dass, lässt sie den Dingen ihren Lauf, Geld wie Liebe perdu sind; wenn das Objekt seiner doppelten Begierde begreift, was er will, ihm daraus aber keinen Strick dreht, sondern versteht und verzeiht und am Ende den Schurken mit seiner Schurkin davonkommen lässt; wenn all dies in einem frühen Tonfilm der Fall ist, dann kann es sich erstens nur um ein Werk handeln, das vor Inkrafttreten des Production Code entstand, der so ziemlich alles, was Spaß macht am Kino, zu untersagen versuchte; und dann kann es zweitens eigentlich auch nur ein Film von Ernst Lubitsch sein, dessen Anzüglichkeiten unter dem Production Code allerdings blieben, nur etwas subtiler gerieten; in „Trouble in Paradise“ aber, der jetzt endlich auch in Deutschland auf DVD erhältlich ist, sind sie so dreist und elegant, so weltläufig und unverschämt, so rasant und rücksichtslos unerklärt pointiert, dass es ohne Wenn und Aber eine äußerste Lust ist; und so kurz der Film selbst ist, so lang ist der Schatten, der auf die Hollywoodkomödie bis heute fällt. EKKEHARD KNÖRER