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DURCHS DRÖHNLANDWer will schon bierbäuchige Buzzcocks?

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der Woche

Kann es deutschen Hardcore geben? Natürlich nicht. Bestenfalls gibt es Bands wie die Flower Buds aus Lübeck, die einem den unangenehmen Ganz-nett-Nachgeschmack ein wenig abgewöhnen. Sie spielen den Amicore so dreist und souverän von der Ost- zur Westküste und wieder zurück, daß ihnen sogar der allmächtige Diedrich Diederichsen »Weltniveau« bescheinigte. Alle anderen maßgeblichen Publikationen überschlugen sich kaum weniger, auch wenn vehement darüber gestritten wurde, ob das Blümchen-Image der Flower Buds nur ein Gag und Hippie-Core überhaupt möglich ist. Tatsache ist: man hat hier eine der besten deutschen Bands vor sich. Die Flower Buds schaffen es, ihrem straighten Hardcore manche psychedelische Seite abzugewinnen. Da bimmeln Kuhglocken, wird fröhlich gepfiffen und auch mal dumpf gerockt (Heldenvermerk: Status Quo). Wunnebar, einfach ganz wunnebar.

Den kürzeren müssen da zwangsläufig Pullermann ziehen. Einfach deswegen weil sie sich selbst ungleich wichtiger nehmen und eine gewisse humorige Distanz vermissen lassen. Trotzdem keine schlechte Band das, jedenfalls viel besser als man bei dem Namen vermuten würde. Mehr Rock als Punk, aber die gerechte Wut der späten siebziger Jahre ist reichlich im Gesang vorhanden. Gute Menschen spielen nicht ganz so gute Lieder.

Am 7.2. um 22 Uhr im Ex, Gneisenaustraße 2a, HH, Kreuzberg 61

Eins meiner liebsten Hobbies ist es, die Texte von Heavy Metal-Bands etwas genauer zu lesen. Bei Over Kill geht das von diffizilen sexuellen Anspielungen (»I'm a loaded pistol, just you wait and see«) über metaphorisch überladene Visionen (»I have walked through hell, now I'm back«) bis hin zu knallharter Gesellschaftskritik (»Mass production, thought controlled«). Ansonsten sind Over Kill ein weiteres Symptom für die momentane Tendenz im Metal, längst erobertes Terrain zubearbeiten und die liegengebliebenen Silberlinge anderer ernten. Over Kill spielen Speedmetal der ersten Generation, während Slayer, Metallica und Anthrax schon längst weiter sind — entweder noch schneller oder schon wieder langsamer. Genau deswegen klingen Over Kill mit ihrem gehetzten, auf technische Fingerfertigkeit achtenden Speed allzu hausbacken. Sie führen uns mit dem Intercity zurück in die dunkelsten Tage der Siebziger, in denen die Tatsache, daß sich der Gitarrist möglichst geschickt die Finger verknoten konnte, wichtiger war als die Qualität des Songs. Die innovativeren Kollegen fahren sowieso TGV, bis der endgültig aus der Kurve geschleudert wird, oder eben wieder D- Zug. Denn auch gemütlich kommt man ans Ziel.

Am 7.2. um 20 Uhr in der Neuen Welt, Hasenheide 102-104, Kreuzberg 61

Wer zu Recht erwartet, daß der anstehende Auftritt der Buzzcocks nur dazu dient, einigen ältlich gewordenen Herren den Lebensabend zu versüßen (und sich dieses dann eher ersparen will), ist mit den Chartbusters wahrscheinlich besser bedient. Hochmelodischer Punkrock der etwas schnelleren Gangart — nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ein paar Bier, die Vier aus Freiburg auf der Bühne und fertig ist die unterhaltsame Abenunterhaltung mit original 77er Retro-Feeling. Wie gesagt: Die billigere und besser Wahl, um sich die glorreichen Zeiten zurückbringen zu lassen.

Am 7.2. um 21 Uhr im Wasserturm Kreuzberg, Kopischstraße 7, Kreuzberg 61

Magnum und die Dambuilders verbindet nur die gemeinsame Herkunft: Hawaii. Und daß beide es dort nicht mehr ausgehalten haben. Magnum zurück zur Marine, die Dambuilders nach Boston, weil man in Honolulu keine Karriere ohne Blumenkranz um den Hals machen kann. Die Band verbindet die Unbeschwertheit, die ihre sonnige Heimat nahelegt, mit liebevoller Melancholie. Während die Gitarren und Rhythmen leicht folkig und sehr aufgekratzt daherkommen, senkt die Geige die Stimmung auf ein solide morbides Niveau. Die Stimme hängt genau dazwischen, kann sich nicht endgültig zu einer Melodie entscheiden, schlägt hier noch einen Haken und wimmert dort noch etwas, so als wäre es ihr peinlich, sich der Fröhlichkeit der Gitarren anzubiedern. Hier kann man sich einig sein: Das Schönste, was es an Kunststudentenpop geben kann.

In hübschem Kontrast dazu stehen Pegboy. Die »Großväter der Punkrock-Szene Chicagos« (Info-Text) setzen sich aus Ex-Mitgliedern der Effigies, der Phopal Stiffs, von Bloodsport, vor allem aber von Naked Raygun zusammen. Das bedeutet einfach nur klassischen Punk, der allerdings im Gegensatz zu den wirklich alt gewordenen Bierbäuchen des Genres noch für ein gehöriges Maß an Enthusiasmus bürgt. Pegboy stehen genau in der Mitte: zu alt, um richtig schlecht zu sein, und noch jung genug, um nicht wieder schlecht zu werden. Gemäßigte Geschwindigkeit, gesunde Härte, das gute Break zur rechten Zeit und vor allem die nachvollziehbare Melodie. Abpumpgarantie.

Am 8.2. um 21 Uhr in Huxleys Neuer Welt, Hasenheide 102-104, Kreuzberg 61

Belgien ist bekanntermaßen die Heimat der Electronic Body Music, kurz EBM genannt. Nach einem ungefähr zwei Jahre dauernden Hoch Mitte der Achtziger wurde EBM von House, Acid und Techno überrannt, hinterließ aber doch noch einige Spuren (auch wenn nach Nitzer Ebb und Front 242 kein Hahn mehr kräht). Die größte Errungenschaft von EBM waren die postindustriellen, maschinellen Sounds, die zur Grundlage des Beats erhoben wurden, und bis heute in den Berliner Katakomben überleben.

Dieses penetrante Flackern setzt »KK Records« aus eben Belgien fort. Im Paket kommen vier KK-Acts nach Berlin: Insekt mischen die industriellen Sounds mit Querverweisen auf den Beginn des Electropop wie Human League oder Heaven 17; Sloppy Wrenchbody verbinden Techno-Rhythmen mit HipHop und psychedelischen Zitaten; The Minister of Noise hat sein Amtsgebäude im Dub, versteht sich als Sound System, ohne den Reggae überzubetonen und tat sich bisher vor allem als Produzent so unterschiedlicher Bands wie Half Man Half Biscuit, Walkin' Seeds und der Electro Hippies hervor; von den Swains weiß ich nichts, aber tanzbar dürften auch sie sein. Ein Abend für die Berliner Tekkno-Freaks, die sich an ihre Wurzeln erinnern wollen.

Am 11.2. um 21 Uhr in Huxley's Neuer Welt

Dieser Mann ist Legende: Jah Wobble war Gründungsmitglied von PIL. Es folgten gemeinsame Projekte mit Holger Czukay (Can) und The Edge (U2). Deshalb nur soviel: Jah Wobble's Invaders of the Heart sind kein Punk, auch wenn Wobble daher kommt. Vielmehr kann er nun endlich seinen »Hang zu östlicher Musik« ausleben. Das kleine Einmaleins der Arabistik verbindet sich mit den kruden Spährenklängen, die er bei Czukay kennengelernt hat, und seinem hypnotischen Basspiel. Guter Mann das, aber halt eher Ethno, so Punks stay away.

Am 12.2. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Mark Griffin lebt in Dallas. Da ist es bekanntermaßen seit einigen Monaten besonders öd und leer, also macht Mark Musik. Ursprünglich spielte er Jazz-Trompete und Gitarre in Punkbands. Als MC 900 Ft Jesus okkupiert er zusätzlich den modernen HipHop, um ihn mit Jazz zu verschmelzen. Diesen Crossover gab es zwar vor zwei Jahren schon mal, aber Griffin geht noch weiter, ist auf der einen Seite härter und hat auf der anderen als Jazzmusiker den Respekt vor originalen Klängen. Statt zu samplen spielt er lieber selber. So finden sich neben herben Beats die warmen, souligen Klänge von gestopften Trompeten und der perlende Ton eines Klaviers. Seine Texte erinnern an die endlosen, aufzählenden Gedichte der Beatniks (besonders Dali's Handgun). Vielleicht auch weil er nicht der große Rapper ist, zieht es MC 900 Ft Jesus vor, die Texte eher zu rezitieren als rhythmisch betont zu rappen. Im Gegensatz zu schwarzen Microphone Commandos, die vor allem die momentane Verfassung des »Ich« darstellen, schlüpft Griffin in fremde, möglichst obskure Charaktere wie Serienmörder oder Brandstifter — ganz die gute, alte weiße Liedermacher-Tradition. Wegen des Jazz und der liebevollen Zitate aus den Sechzigern außerordentlich hübsch und gemütlich, aber trotzdem extrem tanzbar.

Am 13.2. um 20.30 Uhr im Loft Thomas Winkler

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