DOROTHEA HAHN ÜBER ABTREIBUNG UND HOMO-EHE IN DEN USA : Nur die Gerichte helfen
Das Beste und das Schlechteste, was die USA zu bieten haben, lagen selten so nah beieinander wie an diesem Dienstag: An ein und demselben Tag beseitigte der Gouverneur in North Dakota mit seiner Unterschrift das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, während in Washington das oberste Gericht bei seiner ersten Verhandlung über die gleichgeschlechtliche Ehe, großen Sachverstand, Einfühlungsvermögen und Realismus an den Tag legte.
Dieses Nebeneinander von Weltoffenheit und Rückwärtsgewandtheit ist typisch für die US-Gesellschaft. Anstatt verbindliche Entscheidungen zu fällen, sie in Gesetze und politische Praxis zu gießen und zum nächsten Tagesordnungspunkt überzugehen, werden dieselben Auseinandersetzung immer wieder neu geführt. Vermeintlich längst gelöste Konflikte – wie das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, das das oberste Gericht im Jahr 1972 bestätigt hat – können mit jeder neuen Wahl erneut offen ausbrechen. Das trifft so unterschiedliche Bereiche wie das Recht von Frauen auf Selbstbestimmung, von Lesben und Schwulen auf Ehe oder Schaden und Nutzen von Schusswaffen in privaten Händen. In dieser Situation, die zugleich kreisförmige Bewegung und lähmender Stillstand ist, spielen Gerichte die Rolle des Katalysators. Wenn ein Anliegen den mühsamen Weg bis zu den neun RichterInnen in Washington geschafft hat, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich die US-Gesellschaft weiterbewegt.
Insofern ist die Tatsache, dass das Gericht sich mit der gleichgeschlechtlichen Ehe befasst, schon ein Fortschritt. Doch zeigt die Entscheidung in Dakota – der andere Bundesstaaten folgen wollen – dass der Kampf um einmal Errungenes weiter gehen muss. Auch nach 40 Jahren.
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