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Archiv-Artikel

DORIS AKRAPLEUCHTEN DER MENSCHHEIT Von Konfetti und Nonnen

Nicht selten fühlt man sich, verfolgt man Handeln, Reden und Gebaren von Berufspolitikern, als wäre man mitten in einem Karnevalsumzug. Statt Narrenkappe auf dem Kopf und Konfetti auf den Schultern, tarnen sie den Schalk, den sie im Nacken tragen, mit der Kostümierung als ehrliche, unbestechliche und verantwortungsbewusste 24-Stunden-Probleme-Ernstnehmer. Eine gelungene Verkleidung, die nur manchmal etwas verrutscht, so wie beispielsweise derzeit bei den Vertretern der Mövenpick-Partei.

Das Problem mit der Charaktermaske nehmen gewisse Leute allerdings ganz schön ernst. So empfiehlt das islamistische Internetportal Muslim-Markt seinen Lesern, diese Woche nicht im Penny-Markt einzukaufen, im Karnevalssortiment des Supermarkts sei ein Nonnenkostüm im Angebot. Und es gelte die Würde der Heiligen Maria zu schützen, deren Kleid nicht nur jede Nonne, sondern auch jede praktizierende Muslima trage.

Schon vor zwei Jahren hatte Penny solch närrisches Zeug im Angebot. Damals noch hatte der katholische Prälat Wilhelm Imkamp höchstpersönlich erklärt, derartige Kostüme hätten seine religiösen Gefühle „schwerwiegend“ verletzt, und stoppte erfolgreich den Verkauf in einigen Filialen: „Wir sind eine verfolgte Minderheit, die sich wehren muss.“

Derart dünnhäutig und unjeck reagiert auch Joseph Ratzinger auf blöde Papstwitze. Erst vergangene Woche wieder verfluchte er die „Geringschätzung und Verachtung der Religion“, vor allem des Christentums, vor allem in der westlichen Welt. Der Papst würde es sicher gerne sehen, wenn der Begriff der Christophobie Talkshowthema werden würde. Der Journalist Alan Posener klagt Ratzinger sogar an, mit „dschihadistischer Logik“ zu argumentieren: Die „benedettinische Wende“ habe „mit dem fundamentalistischen Islam mehr gemeinsam als mit der säkularen Gesellschaft Europas“ („Benedikts Kreuzzug. Der Angriff des Vatikans auf die moderne Gesellschaft“. Ullstein, Berlin 2009). Beim Nonnenkostüm dürfte das schon mal stimmen.

Die Autorin ist Kulturredakteurin der taz Foto: privat