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Archiv-Artikel

DOPPELTES ANSEHEN: SCHWARZ-SCHILLING UND DIE DEUTSCHEN IN BOSNIEN Demokraten mit Vergangenheit

Wenn die größte Wochenzeitung in Sarajevo titelt: „Die Briten hauen ab, die Deutschen kommen“, dann steckt dahinter nicht nur eine flapsige Formulierung. Denn an Christian Schwarz-Schilling, der heute das Amt des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina übernimmt und den Briten Paddy Ashdown ablöst, sind große Erwartungen geknüpft. Und das nicht nur an ihn persönlich, sondern an Deutschland insgesamt.

Die BRD gilt in Bosnien nicht nur als wirtschaftliche Macht, sondern auch als demokratisches Vorbild. Und das meint nicht nur den staatlichen Aufbau, sondern vor allem die Glaubwürdigkeit beim Umgang mit der Vergangenheit. Der aus Protest gegen die Bosnienpolitik Europas und der Regierung Kohl 1992 zurückgetretene Ex-Postminister Schwarz-Schilling, der sich für die Opfer des bosnischen Krieges engagierte und danach in zahllosen Verhandlungen auf kommunaler Ebene Frieden schaffen half, ist dafür ein Symbol. Er genießt enormes Ansehen, selbst auf serbischer Seite.

Bosnien befindet sich zehn Jahre nach dem Krieg im Umbruch. Die Nachkriegszeit ist zu Ende. Jetzt muss die Vergangenheit bewältigt, eine neue Verfassung geschaffen und das Land auf den Eintritt in die EU vorbereitet werden. Und das so schnell wie möglich, denn die Widerstände in Europa gegen die Erweiterungen wachsen.

Sollten diese die Oberhand gewinnen, hätte Europa hier wie während des Krieges schon zum zweiten Mal versagt. Dabei war das europäische Engagement in der Nachkriegszeit Bosniens kein Nachteil. Denn die Existenz einer EU-Polizei und die Gründung einer EU-Armee half nicht nur Bosnien, sondern vor allem dem Integrationsprozess in der EU selbst. Mit den stärksten Militärkontingenten in Bosnien und Kosovo ist in den letzten zehn Jahren zudem die außenpolitische Bedeutung Deutschlands stetig angewachsen. Die BRD kann ihre politische und moralische Autorität für den Aufbau demokratischer Gesellschaften auf dem Balkan nutzen – die deutsche Gesellschaft muss es nur wollen. ERICH RATHFELDER