DOMINIC JOHNSON ÜBER MALIS DAUERKRISE : Wüstensand vernebelt die Sicht
Die Rückkehr Malis zu einer verfassungsmäßigen Ordnung, mit einer gewählten Regierung in Kontrolle des gesamten Staatsgebiets, gestaltet sich immer komplizierter. Letzte Woche startete die Armee eine Offensive gegen die Tuareg-Rebellen, die seit der Vertreibung der Islamisten durch französische Eingreiftruppen die strategisch wichtige Stadt Kidal im Norden des Landes an der Überlandstraße nach Algerien beherrschen. Diese Offensive so kurz vor den für Ende Juli angesetzten Wahlen war schon ein Wagnis. Dann blieb sie auch noch im Wüstensand stecken und Malis Regierung hat sich an den Verhandlungstisch begeben müssen.
Malis Krise, das betonen seine politischen Kräfte gerne, kommt von außen: hineingetragen durch die algerische „al-Qaida im Islamischen Maghreb“ und durch aus Libyen zurückgekehrte Bürgerkriegssöldner. Deswegen war Mali mehrheitlich froh über Frankreichs Militärintervention im Januar: Wenn der äußere Feind vertrieben ist, regeln sich die inneren Probleme von selbst. Aber jetzt erweist sich: Mali hat durchaus innere Probleme. Sonst wäre ja nicht die Hälfte des Landes unter Kontrolle islamistischer Milizen geraten, sonst hätte sich keine Tuareg-Rebellenarmee gebildet, sonst hätte das Militär nicht 2012 die gewählte Regierung weggeputscht.
Wenn Wahlen ausreichen würden, um diese inneren Probleme zu lösen, dann wären die Probleme nie entstanden, denn bis 2012 war Mali zwanzig Jahre lang eine Demokratie. Dieser riesige, schwer regierbare Vielvölkerstaat, Schmelztiegel von Kulturen und Kreuzungspunkt von Fernhandelswegen, braucht eine offene Diskussion unter Einbeziehung aller Interessengruppen über die Gründe, warum seine Musterdemokratie scheiterte, bevor man sie neu aufzubauen versucht.
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