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Archiv-Artikel

DOMINIC JOHNSON ÜBER KENIAS PRÄSIDENT IN DEN HAAG Nur scheinbar eine Einsicht

Es ist zu begrüßen, dass Kenyatta sich endlich dazu bequemt hat, der Vorladung zu folgen

Der Internationale Strafgerichtshof hat es nicht leicht. Seine Prozesse ziehen sich sehr lange hin. Die Kapazitäten reichen nicht aus, um Ermittlungen zeitnah zu führen. Seine Macht ist so gering, dass er Aktivitäten auf zerfallene Staaten und ergraute, bereits geächtete Altkrieger beschränken muss, während die tatsächlich aktiven Kriegsverbrecher der Gegenwart frei herumlaufen. Seine Erkenntnisse fließen nicht zurück in die dringend nötigen Vergangenheitsbewältigungsprozesse in den Ländern, zu denen er richtet.

Besonders schwer auf politischer Ebene wiegt der Vorwurf, der Strafgerichtshof sei eine Art ständiges Sondertribunal zu Afrika. Das ist vom Statut her zwar Unsinn, aber in der Praxis nicht widerlegbar. Elfenbeinküste, Kenia, Kongo, Libyen, Mali, Sudan, Uganda und die Zentralafrikanische Republik heißen die Länder, zu denen der Strafgerichtshof Ermittlungsverfahren beziehungsweise Prozesse eröffnet hat. In Kenia und Sudan treffen diese Verfahren die amtierenden Präsidenten, und die haben dafür gesorgt, dass Afrikas politische Klasse mittlerweile in ihrer Mehrheit den Gerichtshof als neokoloniales Diskriminierungsinstrument ablehnt.

Insofern ist zu begrüßen, dass Kenias Präsident Uhuru Kenyatta sich jetzt endlich dazu bequemt hat, einer Vorladung des Strafgerichtshofs zu folgen und nach Den Haag zu reisen. Aber der Gerichtshof ging mit dieser Vorladung zugleich ein hohes Risiko ein. Der Prozess gegen Kenyatta ist noch gar nicht eröffnet, er wohnte schweigend einer Anhörung bei.

Es ist nicht auszuschließen, dass das Verfahren gegen ihn jetzt ausgesetzt wird. Dann dürfte es bald noch mehr Pilgerfahrten aus Afrika nach Den Haag geben – von Politikern, die diesen Canossagang zum Triumphzug umfunktionieren, um ihren Völkern zu zeigen, wer der Stärkere ist.

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