: DIW: Lohn- und Einkommensteuern erhöhen
■ 1990/91 Defizit von 220 Milliarden DM/ Ifo sieht Hoffnungsschimmer
Berlin/München (dpa/afp) — Der Kreditbedarf der öffentlichen Haushalte wird sich durch die hohen Belastungen aus der deutschen Einigung kräftig erhöhen. Sollten Steuererhöhungen notwendig werden, dann würde ein befristeter Zuschlag auf die Lohn- und Einkommensteuer die wirtschaftlichen Bedingungen am besten erfüllen, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im jüngsten Wochenbericht. Zuvor sollte allerdings auf die Senkung der Unternehmensteuern verzichtet und der gesamtwirtschaftlich vertretbare Kreditspielraum voll ausgeschöpft werden.
Ohne Steuererhöhungen wird sich der staatliche Kreditbedarf im Jahre 1990 auf rund drei Prozent des erwarteten nominalen Bruttosozialprodukts belaufen. 1991 wird er auf 4,5 Prozent steigen. In den Rezessionsjahren 1975 und 1981 wurde aber bereits einmal eine Nettokreditaufnahme von 6,5 bzw. 4,5 Prozent erreicht.
Das DIW schätzt, daß das Gesamtdefizit der öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik und in der DDR unter Einschluß des Fonds „Deutsche Einheit“ 1990 fast 100 Milliarden DM betragen wird. 1991 ist ein Defizit von über 120 Milliarden — ohne Fonds sind es über 90 Milliarden DM — zu erwarten. Für das ehemalige Gebiet der DDR errechnet sich ohne die bundesdeutschen Finanzhilfen ein Fehlbetrag von 80 Milliarden. Im Juni war das DIW noch von 70 Milliarden DM ausgegangen. Die Differenz resultiert vor allem aus den Kosten der höheren Arbeitslosigkeit.
Derweil sieht das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München einen Hoffnungsschimmer für DDR- Betriebe, ergab der erste Ifo-Konjunkturtest für die DDR. Im Juli/August wurde die Geschäftslage von der Mehrheit der Firmen noch als schlecht bezeichnet, Nachfrage und Produktion waren rückläufig. In den nächsten drei Monaten planen hingegen 26 Prozent der Betriebe Produktionserhöhungen. 24 Prozent wollen sie zurückfahren.
Als produktionsbehindernde Faktoren werden in der Industrie vor allem Absatzprobleme und Finanzierungsschwierigkeiten genannt. Die unzureichende technische Ausstattung wird nur von einem Viertel der Unternehmen als Hemmschuh bezeichnet. Ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften spiele so gut wie keine Rolle. Bei der Beschäftigtenzahl erwarten 86 Prozent der Firmen einen Rückgang, 14 Prozent einen Gleichstand. Im Baugewerbe sei aber noch kein Ende der rückläufigen Produktion zu erkennen.
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