DIE WUT DER POLITIKER KANN NOKIA EGAL SEIN. DIE DER KUNDEN NICHT : Zu kurz gedacht
Endlich mal wieder ein Thema, bei dem sich alle Parteien so richtig einig sein können. Von „Sauerei“ über „Subventionsbetrug“ bis hin zu „Manchester-Kapitalismus“ und „Zynismus“ reichen die Rufe der Politiker von CSU bis zur Linken, weil Nokia sein Handy-Werk in Bochum schließen will. Öffentlicher Applaus ist ihnen sicher. Denn wenn ein internationaler Großkonzern trotz satter Gewinne seine Angestellten entlässt und Fabriken in Länder mit niedrigeren Löhnen und Steuern verlagert, scheinen sie auf der richtigen Seite zu stehen.
Doch ist Nokia der richtige Adressat für die Kritik? Dass ein Konzern dort produziert, wo er sich die höchsten Gewinne verspricht, gehört schließlich zu den Grundregeln des Kapitalismus. Öffentliche Fördergelder nimmt jedes Unternehmen gern. Und nach allem, was bislang bekannt ist, hat Nokia alle Bedingungen eingehalten, an die die deutschen Subventionen gebunden waren.
Keine Frage: Was in Bochum passiert, ist für die Betroffenen bitter. Doch statt jetzt auf Nokia zu schimpfen, wäre es sinnvoller, die Spielregeln zu ändern, die das Verhalten des finnischen Konzerns erst möglich machen. Das trifft die Politik, welche für die derzeitige Subventionspraxis verantwortlich ist. Strengere Auflagen und längere Arbeitsplatzgarantien für geförderte Unternehmen oder eine Harmonisierung der europäischen Steuer- und Sozialpolitik – das würde mehr helfen als schlichte Empörung.
Wenn Nokia nun die Forderungen der deutschen Politik brüsk zurückweist, ist das Unternehmen formal im Recht. Ob dieses Verhalten allerdings auch klug ist, wird sich erst noch zeigen. Ein Unternehmen, dessen Produkt in fast jeder zweiten deutschen Hosentasche steckt, ist auf einen guten Ruf angewiesen. Und der verträgt sich schlecht mit der Schließung eines profitablen Werks, das mit öffentlichen Geldern aufgebaut wurde.
Schon machen erste Boykott-Forderungen die Runde. Auch diese mögen populistisch sein; doch im Gegensatz zur Wut der Politiker muss Nokia die Wut der Öffentlichkeit tatsächlich fürchten. Denn wenn der Aufruf zum Käuferstreik Anklang findet, kann die Renditejagd des Handy-Herstellers leicht nach hinten losgehen. MALTE KREUTZFELDT