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Archiv-Artikel

DIE WIRTSCHAFT WÄCHST – DOCH FÜR BILDUNG IST KEIN GELD DA Am falschen Ende gespart

Was viele kaum mehr für möglich gehalten haben, scheint sich langsam zu bewahrheiten: Die deutsche Wirtschaft findet endlich auf einen Wachstumspfad zurück. Bis zum nächsten Jahr wird es mit der Konjunktur weiter aufwärts gehen, prognostiziert das DIW.

Sowohl die reale Entwicklung als auch der Optimismus sind erfreulich. Zu Aufschwungs-Euphorie aber besteht kein Anlass. Denn eines ist klar: Was wir erleben, ist kein neues Wirtschaftswunder. Europas größte Ökonomie ist lediglich dabei, ihre katastrophalen Wachstumsraten der letzten Jahre wettzumachen. Wer bei zwei Prozent Plus schon blühende Landschaften sieht, hat die Bodenhaftung verloren. Selbst mit der Wachstumsrate 2006 belegt Deutschland gerade einmal den viertletzten (!) Platz innerhalb der 27 EU-Mitgliedstaaten.

Ein weiterer Mythos besteht in dem Glauben, die wirtschaftliche Erholung sei ein Erfolg politischen Handelns. Dabei hat das Gewurschtel bei der Reform des Arbeitsmarktes und des Steuersystems keine messbaren konjunkturellen Impulse gebracht. Im Gegenteil: Ohne die Erhöhung der Mehrwertsteuer würde die Wirtschaft einen ganzen Prozentpunkt stärker wachsen als nun erwartet. Damit hat sich die Bundesregierung den Weg verbaut, en passent den Haushalt zu konsolidieren. Denn jedes Prozent Wachstum reduziert das Staatsdefizit automatisch um ein halbes Prozent.

Die nächste Fehlentscheidung ist auch schon absehbar: Auch wenn die Neuverschuldung im nächsten Jahr wohl auf 0,6 Prozentpunkte fällt, beharrt die Bundesregierung darauf, weiter Schulden abzubauen. Dabei brennt es an ganz anderen Fronten: 160.000 ausbildungswillige Jugendliche werden von der Wirtschaft im Stich gelassen, die Lage an den Schulen und Universitäten ist seit Jahren dramatisch. Höchste Zeit, die längst überfälligen öffentlichen Investitionen nachzuholen. Das würde nebenbei 170.000 neue Jobs und 0,7 Prozent zusätzliches Wirtschaftswachstum bringen, hat die Hans-Böckler-Stiftung ausgerechnet. Dafür müssten zwei Prozentpunkte der Mehrwertsteuererhöhung eingesetzt werden. Doch ein schuldenfreier Haushalt scheint der Bundesregierung wichtiger zu sein als die Zukunft der Bürger. TARIK AHMIA