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Archiv-Artikel

DIE WERBEPAUSE Lass den Yuppie in dein Herz

Eine der erfolgreichsten Politparolen der letzten zehn Jahre – die Gentrification bzw. der Kampf gegen sie – bekommt unerwartete Unterstützung. Im Internet rufen die Yuppies zum Bekenntnis gegen die unliebsame Stadtveränderung auf.

Gentrification ist die Aufwertung von Wohnungen in einem Stadtviertel plus Austausch der Bewohnerschaft – hin zu immer mehr „Yuppies“. Die achtzig nicht ganz ernsthaften Bekenntnisse auf der Website hinterfragen diese klare Rollenteilung.

Hier findet sich, was in Hamburgs Schanze, in Berlins Prenzlberg und in München-Giesing die Menschen beschäftigt: „Bei meiner letzten Wohnungsbesichtigung waren mindestens 100 Leute. Das ist echt nicht normal“, „Kürzlich hat jemand aus meinem Co-Working-Space eine Latte über mein Macbook geschüttet“, „Am Weekend sind hier nur Touris – schrecklich!“ Alle Bekenntnisse richten sich gefühlt gegen Gentrifikation.

Die Anti-Werbung stammt vom Sigmund-Lachs-Institut in Hamburg, wahlweise zuständig für „parapsychologische Aphoristik“ oder „interprofessionelle Konfusion“. Die Gruppe hat außer mit Besuchen im Hamburger Pudelclub und einem Auftritt beim Ladyfest noch nicht weiter auf sich aufmerksam gemacht. In einer früheren Aktion rief sie das „Standortschutzgesetz“ aus, um den Standort St. Pauli vor „imageschädigendem Verhalten“ zu schützen.

In seinem neusten Buch von 2010 warnte der Stadtsoziologe Andrej Holm davor, die Gentrification werde oft verharmlost („gibt’s doch nur in Mitte“) oder romantisiert („so ein bisschen Gentrification könnte doch ganz guttun“). Jetzt wird sie auch noch ironisiert.

Aus den circa 80 yuppiesken Bekenntnissen, die bisher auf der Website zu finden sind, können Gentrification-Kritiker viel über sich selbst erfahren. Vor allem darüber, wie hörig die alltägliche Protestsprache den verschiedensten Interessen dient.

In großer Ironie bringt die Website das Problem auf den Punkt, dass der junge, hippe Recht-auf-Stadt-Protest ganz schnell in sein eigenes Feindbild umschlagen kann. Hier ist tiefergehende Analyse gefragt und bewusste „De-Attraktivierung“, wie Holm das nennt.

In einer Leserbriefsammlung, die Ende der 80er in New York unter dem Titel „Yuppies invade my house at dinnertime“ erschien, schrieb einer der angegriffenen Yuppies: „Was denkt ihr denn, wie wir uns fühlen, wenn wir behandelt werden wie Millionäre und überhöhte Mieten zahlen für schlechte Wohnungen?“ Jetzt wissen wir mehr darüber.

CARSTEN JANKE

yuppiesgegengentrification.de