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DIE WAHRHEITZeit der Doppelbelastung

Kolumne
von Eugen Egner

Von der Veröffentlichung einer bahnbrechenden Studie über schnarchenden Papierabrieb (lesen Sie ruhig weiter!) hatte ich mir viel versprochen, wurde jedoch enttäuscht.

V on der Veröffentlichung einer bahnbrechenden Studie über schnarchenden Papierabrieb (lesen Sie ruhig weiter!) hatte ich mir viel versprochen, wurde jedoch enttäuscht. Der mit der Publikation meiner Arbeit betraute Verlag ging in die dritte Sülvenz, und ich war meine Urheberrechte los. Mir wurde angeboten, es mit einer anderen Studie, nämlich einer über halsbrecherisches Schnarchen, noch einmal zu versuchen, aber ich lehnte ab.

Eine weitere Enttäuschung hätte ich nicht verkraften können. Damit war meine wissenschaftliche Karriere beendet, bevor sie begonnen hatte, und ich konnte froh sein, das Engagement als „Der Retter der Realität mit seiner magischen Mundharmonika“ beim Konzertcafé Klingenberger zu haben. Weil aber auf diese Weise das Geld vorn und hinten nicht reichte, musste ich parallel dazu auch regelmäßig in der Regina-Bar (gleich nebenan) auftreten.

Mein Dienstherr, der von Haus aus furchtbar strenge Klingenberger, durfte um keinen Preis erfahren, dass ich für die Konkurrenz arbeitete. Es ist mir heutzutage unbegreiflich, wie ich es so lange vor ihm verheimlichen konnte.

An meinem ersten Abend in der Regina-Bar kam ich als Riesenvogel auf die mit Schmierseife geglättete Bühne, führte eine schwitzende Hechtrolle vor und zeigte langwierige Versuchsreihen, bis das Licht langsam erstarb und zuletzt die Heizung abgeschaltet wurde. Im Dunkeln kündigte ich dann bei minus vier Grad eine Rechtsschutzversicherung. Großer Jubel! So ging es fortan allabendlich weiter, während ich zur selben Zeit als „Der Retter der Realität mit seiner magischen Mundharmonika“ das Publikum bei Klingenberger begeisterte.

Mit wachsender Meisterschaft bettete ich beide Parallelexistenzen wechselseitig in die Abstände zwischen ihren jeweiligen Atomen ein. Mit dem Prunk meiner Darbietung schien die Kostbarkeit der Damengarderobe hüben wie drüben wetteifern zu wollen, aber dazu will ich an dieser Stelle lieber nicht mehr sagen.

Selbstverständlich drang die Kunde von dem Ruhm, den ich mir in der Regina-Bar erwarb, auch schnell zu Klingenberger. Ich war selbst dabei, als jemand, der nicht um meine Identität wusste, meinem Arbeitgeber von den Darbietungen des Riesenvogels in dem konkurrierenden Etablissement vorschwärmte. „Ist das nicht überwältigend?“, fragte der Informant schließlich. Klingenberger war so leicht nicht zu beeindrucken: „Es würde mich Überwindung kosten, davon überwältigt zu sein.“ Das sagte er nur, weil er neidisch war, daran bestand kein Zweifel.

Noch am selben Abend wollte ich es ihm zeigen. Ich brachte meine bahnbrechende Studie über schnarchenden Papierabrieb auf die Bühne, während ich in der Regina-Bar halsbrecherisches Schnarchen auf der Mundharmonika praktizierte. Alles tobte! Bald sollte sich auch meine finanzielle Situation von Grund auf ändern. Durch eine Wette, die ich überhaupt nicht verstand, gewann ich neunhundert Mark, was ungefähr drei Millionen Euro entsprach. Als Erstes kaufte ich mir eine neue Salbe gegen das Verrücktwerden im Alter.

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