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Archiv-Artikel

DIE US-PLÄNE ZUR RAKETENABWEHR IN OSTEUROPA SIND GEFÄHRLICH Eskalation des Misstrauens

„Wie würde die amerikanische Regierung reagieren, wenn wir auf Kuba ein russisches Raketenabwehrsystem installierten – selbstverständlich mit der Versicherung, es richte sich nicht gegen die USA?“ Mit diesem hypothetischen Szenario antwortete dieser Tage der russische Verteidigungsminister auf den Beschluss der tschechischen wie der polnischen Regierung, auf ihren Territorien den Bau eines amerikanischen Raketenabwehrsystems zuzulassen.

Die Versicherung der USA, die Anlage richte sich in keiner Weise gegen Russland, stieß erwartbar auf taube Ohren. Dies trifft umso mehr auf die gestrige Erklärung des polnischen Ministerpräsidenten zu, das Abwehrsystem richte sich nicht gegen „normale“ Länder. Sondern nur gegen solche, die „die Regeln der modernen Welt nicht befolgen“.

Die Erfahrung lehrt, dass gerade auf dem Gebiet der Rüstung die Stabilität internationaler Beziehungen vom gegenseitigen Vertrauen der Vertragspartner abhängt. Das betrifft in besonderer Weise die Maßnahmen der Nuklearmächte im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Sowohl Russland als auch die USA haben die Gemeinsamkeit dieses Kampfs stets hervorgehoben. Deshalb wären gemeinsame Konsultationen über Abwehrmaßnahmen gegen einen möglichen Raketenangriff dritter Staaten (gemeint ist der Iran) selbstverständlich gewesen.

Der amerikanische Alleingang hat schon jetzt Vertrauen zerstört. Denn für die Stationierung des Abwehrschildes in Ostmitteleuropa gibt es keine militärstrategisch einsehbaren Gründe: vor allem, wenn man die Versicherung der USA, es ginge nur um den Schutz vor Angriffen der Schurkenstaaten, beim Wort nimmt. Wenn schon ein Abwehrsystem, so fragt die russische Seite, warum dann nicht beispielsweise in der Türkei? Darauf gibt es keine amerikanische Antwort.

Bedrohungsszenarios spiegeln stets eine Gefühlslage, sie sind oft genug Produkte eines „worst case“-Denkens – auch im Fall Rußlands. Die amerikanische Politik und ihre ostmitteleuropäischen Satrapen haben diesen Wettlauf des Misstrauens in Gang gesetzt. Seine Folge, ein neues Wettrüsten, wird uns alle treffen. CHRISTIAN SEMLER